In Abtei Saint-Maurice ist es zu einem möglichen Missbrauchs-Skandal gekommen. Die Abtei bittet nun um Hilfe aus Rom.
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«Hinter einer schalldichten Doppeltüre musste ich die Hosen und Unterhosen hinunterlassen und mich an seinem Arbeitstisch nach vorne beugen», sagt ein Opfer. (Symbolbild( - dpa

Nach Vorwürfen von sexuellem Missbrauch kommt es in der Abtei Saint-Maurice zum zweiten Mal innerhalb von rund zwei Monaten zu einem Führungswechsel. Interims-Abt Roland Jaquenoud tritt vorübergehend von seinem Amt zurück. Ein von Rom ernannter Abgesandter soll zwischenzeitlich die Gemeinschaft leiten.

Die Abtei habe Rom um die Ernennung eines apostolischen Delegierten gebeten, sagte Chorherr Antoine Salina an einer Medienkonferenz am Donnerstag in Bex VD.

Die Leitung der Gemeinschaft leide offensichtlich an «struktureller Schwäche».

Der 65-jährige Salina war nach den Medienberichten über Missbrauchsfälle in der Abtei von seinen Mitbrüdern kurzfristig mit der Aufgabe des Mediensprechers betraut worden.

Roland Jaquenoud im Zentrum der Vorwürfe

Der in den Ausstand getretene Interimsamt, Roland Jaquenoud, stand im Zentrum eines Berichts des Westschweizer Fernsehens RTS vom vergangenen Sonntag über Missbrauch in der katholischen Kirche. Salina las vor den Medien eine Stellungnahme von Jaquenoud zu den Vorwürfen gegen ihn vor.

Der 50-Jährige wies darin die von Medien erhobene Anschuldigung zurück, er habe in der Vergangenheit einen Novizen missbraucht. Das Verhältnis zwischen ihm und dem damals volljährigen Novizen sei einvernehmlich gewesen, erklärte er.

Ermittlungen seien abgeschlossen

Laut Salina handelt es sich dabei um einen bekannten abgeschlossenen Fall. Gegen Jaquenoud wurde wegen dieses Verhältnisses vor rund 20 Jahren eine kirchenrechtliche Untersuchung «wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen» eröffnet. Weil sein Verhalten nicht vereinbar mit der Kirche gewesen sei, sei der damalige Noviziatsleiter verurteilt und zur Strafe vorübergehend aus der Abtei ausgeschlossen worden.

Eine zivilrechtliche Untersuchung zum Fall habe es nicht gegeben. Nach den neuerlichen Vorwürfen wurde Jaquenoud am Mittwoch von der Kriminalpolizei vernommen.

Der Prior war erst im September von seinen Mitbrüdern zum Interimsabt gewählt worden. Zuvor hatte der eigentliche Abt, Jean Scarcella, ebenfalls wegen Missbrauchsvorwürfen sein Amt vorübergehend zur Verfügung gestellt.

Jaquenoud unterrichtete bis vor Kurzem auch als Griechisch- und Lateinlehrer am Kollegium Saint-Maurice. Das Walliser Bildungsdepartement gab Anfang der Woche seine Suspendierung bekannt.

«Ein Gefühl des Entsetzens und des Ekels»

In Bezug auf den RTS-Bericht betonte Salina, dass einige der neun genannten Fälle mehr als 60 Jahre zurücklägne und die Täter grösstenteils verstorben seien. «Andere Fälle endeten mit Untersuchungshaft und Bewährungsstrafen, oder die Verfahren wurden eingestellt», hielt der Kirchenmann fest.

«Die jüngsten Enthüllungen wecken traumatische Erinnerungen, die nach Antworten verlangen», sagte der Augustiner-Chorherr. Es sei zwingend notwendig, dass die ganze Wahrheit ans Licht komme. «Es gibt ein Gefühl des Entsetzens und des Ekels», erklärte er.

Im Namen der Abtei bat Salina alle Opfer der Handlungen einiger Mitbrüder um Vergebung. Die Abtei Saint-Maurice ergreife alle in ihrer Macht stehenden Massnahmen, um der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu helfen.

Strafverfahren werden untersucht

Sie arbeite aktiv mit der Staatsanwaltschaft an den jüngsten und ältesten Fällen, die ihr gemeldet wurden. «Derzeit laufen die Ermittlungen und wir müssen die Anforderungen der Justiz respektieren», fuhr Salina fort.

Der Generalstaatsanwalt und Polizeiinspektoren begaben sich am Mittwoch und Donnerstag in die Abtei für eine Voruntersuchung. Auf freiwilliger Basis gewährte ihnen der Archivar der Abtei Zugang zu den Archiven. Weiter sei ein Kanoniker angehört worden.

Nach der Veröffentlichung der Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hatte die Walliser Staatsanwaltschaft Mitte September angekündigt, mögliche Strafverfahren im Wallis zu untersuchen, die nicht verjährt oder bereits behandelt worden sind. Bis Ende Februar 2024 soll ein Bericht zu den Untersuchungen vorliegen.

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