Forscher halten die Bemühungen zur Lösung der «Plastik-Krise» für «unwirksam». Für mehr Nachhaltigkeit sei ein grundlegender Systemwandel notwendig.
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Viele Einwegflaschen aus Plastik liegen auf einem Haufen. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Forscher halten Bemühungen zur Lösung der «Plastik-Krise» für «unwirksam».
  • Freiwillige Massnahmen würden nicht ausreichen.
  • Es sei ein grundlegender Systemwandel notwendig.
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Forscher halten die Bemühungen zur Lösung der «Plastik-Krise» für «unwirksam und irreführend». Freiwillige Massnahmen und Marktmechanismen für mehr Nachhaltigkeit würden nicht ausreichen. Es sei ein grundlegender Systemwandel notwendig, betonen sie in einem Bericht der Dachorganisation der nationalen Wissenschafts-Akademien in der EU.

Der Bericht «Verpackungskunststoffe in der Kreislaufwirtschaft» wurde am Dienstag veröffentlicht. Dafür haben Wissenschaftler von 28 europäischen Ländern zusammengearbeitet, um die gesamte Kunststoff-Wertschöpfungskette zu untersuchen. Sie verweisen in der Arbeit auf die Diskrepanz von einerseits Millionen Tonnen von Kunststoffabfällen, die in der Umwelt landen. Andererseits zeigen sie eine gleichzeitige Zunahme der Verwendung von Plastik auf.

Seit den 1960er-Jahren ist die weltweite Produktion von Kunststoffen um das 20-fache gestiegen. 2018 erreichte sie rund 360 Millionen Tonnen pro Jahr, 62 Millionen Tonnen davon in Europa.

Ein beachtlicher Anteil davon landet wieder in der Umwelt. «Makro- und Mikrokunststoffe sind auf dem Land, in den Meeren und sogar in der Luft weit verbreitet.» Dies erklärte Michael Norton von der Akademien-Dachorganisation EASAC in einer Mitteilung. Er betont, dass die Warnungen des Berichts «keine Dystopie von Umweltaktivisten sind – es ist Wissenschaft».

Regeln und Anreize nötig

Sie halten freiwillige Massnahmen und Marktmechanismen für mehr Nachhaltigkeit für nicht ausreichend. Deshalb sollten «die europäischen Gesetzgeber Regeln und Anreize verabschieden, um den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen zu beschleunigen.

Wir müssen Kunststoffwaren und -verpackungen wiederverwenden und unser Recycling drastisch verbessern. Und vor allem dafür sorgen, dass kein Abfall in die Umwelt gelangt», so Norton.

Es seien grundlegende und systemische Reformen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich. Dies, um Schäden an der Umwelt, der biologischen Vielfalt und Risiken für die menschliche Gesundheit zu verringern.

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Plastikmüll im Wasser. Für mehr Nachhaltigkeit braucht es laut Forschern ein grundlegender Systemwandel. - keystone

Die Wissenschaftler der nationalen Akademien haben sieben Empfehlungen an die politischen Entscheidungsträger der EU erarbeitet. Sie zeigen auf, wie das System transformiert werden könnte. Dazu zählt etwa ein Verbot des Exports von Kunststoffabfällen aus der EU.

«Europa sollte mit eigenem Abfall umgehen und ihn nicht auf andere abladen, die weniger in der Lage sind, damit umzugehen.» Das sagte Annemiek Verrips von der Niederländischen Akademie.

Bei einem Exportstopp sei es aber unerlässlich, Recyclingsysteme zu entwickeln, die alle Kunststoffabfälle verarbeiten können. Notwendig seien «geschlossene Kreisläufe», also etwa das Recycling von PET-Flaschen zu PET-Flaschen. Energetische Verwertung sollte «ein letzter Ausweg» sein.

«Falsches Bild von Nachhaltigkeit»

Die Wissenschaftler sehen derzeit ein sehr begrenztes Potenzial für biologisch abbaubare Kunststoffe, die Umstellung auf viele sogenannte «Bio»-Materialien sei u.a. aus Ressourcen- oder Umweltgründen nicht zu rechtfertigen: «Sie können die Verbraucher irreführen, indem sie ein falsches Bild von Nachhaltigkeit vermitteln. Und damit die Gefahr einer Verlängerung der heutigen Wegwerfmentalität in Kauf nehmen», so Norton.

Die Wissenschaftler empfehlen zudem, Kunststoffabfälle nicht auf Deponien zu entsorgen und die Einmalverwendung von Kunststoffbehältern zu minimieren. Für Kunststoffhersteller und Einzelhändler sollte das Verursacherprinzip gelten. Eine Massnahme in diese Richtung wären etwa «relevante Steuerermässigungen» für die Verwendung recycelter Kunststoffe.

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