Mangels Eisplatten müssen Robben ihre Babys immer häufiger an Land zur Welt bringen – diese sind deswegen gefundenes Fressen für diverse Raubtiere.
Ein Robbenbaby
Ein Robbenbaby - AFP

Die schwindenden Eisflächen in den arktischen Meeren machen vielen Tierarten schwer zu schaffen. Dazu gehört auch die Ostsee-Ringelrobbe und ihre im Süsswasser lebenden Unterarten. Die Jungtiere wachsen dort normalerweise in natürlichen Schneehöhlen im Treibeis auf, wo sie vor Witterung und Raubtieren geschützt sind. Durch die Klimaerwärmung gibt es bereits jetzt nicht mehr genügend solche natürlichen Kinderstuben für die Tiere.

Die Robbenmütter müssen mangels Eis ihre Jungen auf dem Land zur Welt bringen, wo sie für Raubvögel eine leichte Beute darstellen und auch vor dem in dieser Gegend oft extremen Wetter ungeschützt sind.

In Finnland läuft seit einigen Jahren ein Forschungsprojekt mit künstlichen Schutzhöhlen. Diese sollen helfen, die vor allem in den südlichen Teilen des Binnenmeeres in ihrem Bestand gefährdete Ringelrobbe zu retten. Das von der EU geförderte Projekt startete vor einigen Jahren im grössten See Finnlands, dem Grossen Saimaa, wo heute noch etwa 400 Individuen der Saimaa-Robbe leben, einer von zwei im Süsswasser lebenden Unterarten der Ringelrobbe.

Ähnliches Projekt läuft vor der Küste bei Turku

Weil es den Forschern dort schon nach zwei Jahren glückte, dass ein Robbenbaby in einer der künstlichen Schutzhöhlen geboren wurde, wurden die Experimente mit den zum Teil aus Sperrholz und zum Teil aus Plastik gefertigten Schutzvorrichtungen ausgeweitet. Seit vergangenem Jahr läuft ein entsprechendes Projekt auch im Schärengarten vor der Küste bei Turku. In diesem Meeresteil leben grob geschätzt nur noch 200 bis 300 Ringelrobben.

Jussi Laaksonlaita von der Universität für angewandte Wissenschaften in Turku (Turku AMK) leitet ein aus einer Handvoll Personen bestehendes Forscherteam. Auch sie waren am Bau der 13 künstlichen «Nester» beteiligt, die jetzt, nach den Erfahrungen der ersten Saison, verbessert wurden. Fotos, auf denen die künstlichen Nester zu sehen sind, will man vorerst nicht veröffentlichen: «In dieser Projektphase arbeiten wir mit einer relativ kleinen Anzahl an Prototypen, die kein kommerzielles Design und Konstruktionsweise erfordern», so Laaksonlaita.

Auch im Schärengarten von Turku gelang es den Forschern bereits, ein Jungtier mittels eines künstlichen Nests über die kritische erste Lebensphase zu bringen. Laaksonlaita zufolge hat sich das Projekt bereits als grosser Erfolg erwiesen, da der Schärengarten von Turku mit seinen rund 20'000 Inseln extrem weitläufig ist und man davor praktisch keine Information über auf dem Land geborene Robbenbabys hatte.

Hat das Projekt auf lange Sicht eine Zukunft?

Als Volontär und Berater ist Markus Ahola vom Naturhistorischen Museum in Stockholm bei dem finnischen Projekt dabei. Er beobachtet seit langer Zeit die Entwicklung der Robbenpopulation in der Ostsee. Ahola betont, dass die Methode mit den künstlichen Nestern nicht ohne weiteres auf andere geografische Gegebenheiten für Robben angewandt werden kann. «Der Schärengarten bietet einzigartige Alternativen für das Werfen, wenn nicht genug Eis da ist. Im grössten Teil des Verbreitungsgebiets von Robben gibt es nur offenes Meer und Eisbären. Wenn das Eis verschwindet, müssen sowohl die Robben als auch die Eisbären an Land schwimmen, und gegen die Eisbären sind die künstlichen Schutzhöhlen praktisch wirkungslos.»

Auch glaubt Ahola nicht, dass Rettungsaktionen, wie jene mit den künstlichen Nestern, auf lange Sicht den Robbenbestand in der Ostsee sichern können: «Es ist in der Praxis nicht möglich, künstliche Höhlen für eine grosse Population bereitzustellen. Im nördlichen Teil der Ostsee, dem Bottnischen Meerbusen, leben derzeit etwa 15'000 bis 20'000 Robben, auch gibt es nirgends so viele Inseln und Felsinseln wie im Schärenmeer. Die künstlichen Schutzkonstruktionen können in geringerem Ausmass den Robbenjungen helfen zu überleben. Für die kleine südliche Teilpopulation sind derartige Unterstützungsmassnahmen jedenfalls wichtig.»

Ob das finnische Pilotprojekt dennoch weitere Kreise ziehen wird, hängt in erster Linie vom Ergebnis der weiteren Forschungen ab: «Derzeit gibt es in Schweden keine derartigen Pläne. Das Schärenmeer von Turku ist ein gutes Testgebiet. Wir müssen weitere Ergebnisse abwarten, bevor wir damit in andere Regionen gehen.»

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