Polen regt mit dem Vorschlag der AKW-Pachtung eine Diskussion an. Das Land will die deutschen AKWs nach Abschaltung weiter betreiben.
AKW
Noch ist das deutsche AKW Emsland in Betrieb, auf Ende Jahr soll es abgeschaltet werden. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Polen will deutsche AKWs nach der Abschaltung pachten und weiter betreiben.
  • Mit diesem unorthodoxen Vorschlag wird die Diskussion in der Energiekrise angeregt.
  • Wirtschaftsminister Habeck sieht den Strom aber nicht als primäres Problem.

Wenn Deutschland seine letzten drei Atomkraftwerke abschaltet, könnte Polen diese Meiler dann nicht pachten? Mit dieser unorthodoxen Idee mischt sich die polnische Politik in die deutsche Debatte über eine Laufzeitverlängerung ein. Das östliche Nachbarland befürchtet, dass die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verursachte Energiekrise in Europa ohne deutsche Kernenergie noch schlimmer werden könnte.

Zunächst kam die Idee von der kleinen Linkspartei Lewica Razem, dann debattierte am Donnerstag auch der Europa-Ausschuss des polnischen Parlaments in Warschau darüber – und das obwohl ziemlich klar ist, dass der Vorstoss keine Chance hat.

Biblis
Das abgeschaltete AKW Biblis in Hessen. - Keystone

«Wenn die Deutschen ihre Kernenergie nicht selbst nutzen wollen, sollten sie sie verpachten», forderte die Razem-Abgeordnete Paulina Matysiak nach einem Besuch in Berlin. Die polnische Regierung solle der Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag machen. Deutsche AKWs sollten weiterlaufen «zum Wohle der Sicherheit Europas und des Klimas», schrieb Parteichef Adrian Zandberg auf Twitter.

Deutschland will 2023 atomenergiefrei sein

Zum Jahresende sollen die drei noch verbliebenen Kraftwerke – Isar 2, und Neckarwestheim 2 – vom Netz gehen. Polen wiederum hat kein Atomkraftwerk. Ein erster Anlauf zur eigenen Kernenergie mit sowjetischer Technik wurde 1989 abgebrochen. Neue Pläne sehen vor, dass 2033 nördlich von Danzig ein Kraftwerk ans Netz gehen soll.

«Die Pacht ist nur ein Schlagwort», sagte der Experte Aleksander Sniegocki der Zeitung «Gazeta Wyborcza». «Sie soll die Aufmerksamkeit auf ein Problem lenken, denn natürlich gibt es nicht die kleinste Chance, dass Polen ein Kernkraftwerk pachten oder irgendwie nutzen könnte.» Es sei nur schwierig, die deutsche Politik zu verstehen. Die Zeitung kommentierte, derzeit sei «jedes Megawatt Gold wert». Doch unbeirrt hielten die Deutschen an alten Beschlüssen fest, auch wenn sich die Umstände geändert hätten.

Habeck
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin. - AFP

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weist dagegen immer wieder darauf hin, dass der hauptsächliche Mangel nicht beim Strom droht, sondern bei Gas und Wärme für die Industrie – und Atomkraftwerke dafür keine Abhilfe schaffen.

Polen will auch Berlin provozieren

In den polnischen Ärger, der sich in der Ausschuss-Debatte zeigte, mischt sich vieles: der Unmut über den deutschen Alleingang bei der Gasversorgung aus Russland mit den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2; die polnische Sorge um die eigene Stromversorgung auf dem europäischen Markt – und auch Lust an Provokation in Richtung Berlin.

Natürlich sei der Vorschlag einer AKW-Pacht ungewöhnlich, sagte der Razem-Abgeordnete Maciej Konieczny. Er solle die in seiner Sicht absurde Lage in Deutschland veranschaulichen. Zugleich sprach der Oppositionspolitiker von einem «attraktiven Angebot an die Regierungspartei», die nationalkonservative PiS: «Polen sollte sich bereit erklären, diese Anlagen zu übernehmen, um das Klima und die Energiesolidarität zu retten.»

Aus dem deutschland-kritischen Regierungslager befürwortete der Abgeordnete Janusz Kowalski (Solidarna Polska) den Vorschlag. «Das Problem der deutschen politischen Debatte ist ganz einfach: Sie sind unfähig, ihren Fehler einzugestehen und einen Rückzieher zu machen.»

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