Von Wohltätigkeit zu Terror: So entstand die Hamas

Die Hamas blies am Samstag zum Angriff auf Israel. Von der Wohltätigkeitsorganisation zur radikalen Miliz – so entwickelte sich die islamistische Organisation.

Das Wichtigste in Kürze

Israel wurde am Wochenende von der palästinensischen Hamas attackiert.
Die Organisation machte in ihrer Geschichte eine grosse Entwicklung durch.
Heute hat die militärische Formation rund 80'000 Mitglieder.

Am Samstag erreichte der Nahostkonflikt eine neue Eskalationsstufe: Die Hamas griff Israel vom Gazastreifen aus überraschend an.

Zahlreiche israelische Soldaten und Zivilisten kamen bei der gross angelegten Aktion ums Leben. Israel reagierte vehement – auch auf Palästinenserseite gab es viele Opfer.

Macht Ihnen die Eskalation im Nahen Osten Sorgen?

Doch was genau ist die Hamas, die hinter den Anschlägen steckt? Nau.ch hat mit dem Nahost-Experten Hans-Lukas Kieser von der Universität Zürich gesprochen.

Start als Wohltätigkeitsorganisation

Hamas sei eine arabische Abkürzung für «Islamische Widerstandsbewegung», erklärt Kieser. Die Gruppierung wurde 1987 als militante Palästinenserpartei gegründet.

Wie Islamwissenschaftler Reinhard Schulze in einem Artikel im «Journal 21» ausführt, war die Hamas ursprünglich eine religiöse Wohltätigkeitsorganisation. Ähnlich wie die Muslimbruderschaft.

Am Anfang erhielt sie sogar Unterstützung von der israelischen Regierung. Später radikalisierte sie sich immer mehr und riss schliesslich 2007 die Macht im Gazastreifen an sich.

Selbstmordanschläge

Zahlreiche verlustreiche Selbstmordanschläge in Israel gehen aufs Konto der radikalislamischen Gruppe. Wie Kieser festhält, gibt es jedoch einen klaren Unterschied zu anderen islamistischen Organisationen: «Im Unterschied zur Al Kaida und zum Islamischen Staat wird sie vom Iran unterstützt und hat keinen globalen Anspruch.»

Palästina — Palästinenser feiern auf einem zerstörten israelischen Panzer.

Israel-Krieg — Der Gazastreifen, wo die Hamas regiert, wird als Reaktion auf die Angriffe auf Israel beschossen.

Wie Schulze in seinem Artikel weiter schreibt, dürfte die Hamas aktuell rund 80'000 Mitglieder haben. Diese herrschen über die zwei Millionen Einwohner im Gazastreifen. In erster Linie sei die Hamas – was wörtlich übersetzt «Eifer» bedeutet – eine militärische Formation.

Geleitet wird die Organisation von einem 15-köpfigen Politbüro. Neben Vertretern aus Gaza oder dem anderen Palästinenser-Gebiet Westbank sind darin auch Auslandsabteilungen vertreten. Als Anführer versteht sich laut Schulze der in Katar ansässige Ismail Haniya.

Was ist das Ziel der Hamas?

Bleibt die Frage, was die Gruppierung mit ihren Aktionen erreichen will. Dabei gibt es je nach Zeit und Quelle leichte Unterschiede.

Kieser erklärt: «Gemäss ihrer Gründungsurkunde will sie in Palästina – Israel eingeschlossen – einen islamischen Staat errichten.»

Er soll der Anführer der Hamas sein: Ismail Haniya. - keystone

Allerdings hat sie ihre Forderung laut dem Nahost-Experten in der Folge leicht abgeschwächt: «Sie hat sich später gemässigter geäussert und ein Palästina in den Grenzen von 1967, Seite an Seite mit Israel, beansprucht.»

In der Schweiz wird aktuell heiss diskutiert, ob die Hamas als Terrororganisation eingestuft und verboten werden soll.

*Hans-Lukas Kieser, Historiker, Universitäten Zürich und Newcastle (Australien), Autor von «Nahostfriede ohne Demokratie» (Chronos 2023)