In EU-Fragen muss die Bundesregierung das Parlament «umfassend» und «frühestmöglich» unterrichten – so steht es im Grundgesetz. In der Sicherheitspolitik sorgt das für Streit. Was sagt Karlsruhe?
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. - Uli Deck/dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Grundgesetz verpflichtet die Bundesregierung, den Bundestag in EU-Angelegenheiten so früh wie möglich zu unterrichten - aber gilt das auch für verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen? Dazu verkündet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute ein Urteil.

Geklagt haben die Fraktionen von Grünen und Linken, die die bisherige Praxis seit langem für problematisch halten.

Beide Verfahren wurden 2015 vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise angestossen. Konkret geht es unter anderem um einen Konzeptentwurf für die inzwischen ausgelaufene EU-Operation «Sophia» gegen Schleuser im Mittelmeer. Er wurde den Parlamentariern damals erst nach Beschluss des Einsatzes im Rat der EU-Mitgliedstaaten zugänglich gemacht und konnte dann in der Geheimschutzstelle des Bundestags auch nur von Mitgliedern bestimmter Ausschüsse eingesehen werden.

Bereits zwei erfolgreiche Klagen

In Artikel 23 des Grundgesetzes steht, dass Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Und weiter: «Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.»

Die Grünen-Fraktion hat dazu schon zweimal erfolgreich in Karlsruhe geklagt. Erst im Frühjahr 2021 pochten die Verfassungsrichterinnen und -richter darauf, dass die Bundesregierung den Bundestag vor wichtigen Weichenstellungen rechtzeitig mit ins Boot holt.

Die Bundesregierung ist allerdings der Ansicht, dass für die Sicherheits- und Aussenpolitik eigene Regeln gelten. In der Verhandlung Mitte Juni betonte Staatssekretärin Susanne Baumann aus dem Auswärtigen Amt, der Bereich sei in der EU nicht vergemeinschaftet. Die Bundesregierung beruft sich deshalb auf ein Gesetz zur Zusammenarbeit mit dem Bundestag, wonach nur «auf Anforderung Dokumente von grundsätzlicher Bedeutung» zuzuleiten sind.

Grüne sprechen von «Dauerrechtsverletzung»

Der juristische Vertreter der Grünen, Ulrich Hufeld, sprach von einem «Mitwirkungsverhinderungsgesetz» und einer «Dauerrechtsverletzung». Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko, sagte, bis Anfang 2021 seien noch 87-mal Informationen angefordert worden. 59 Prozent dieser Anforderungen seien abgelehnt worden.

Mittlerweile wird das Auswärtige Amt von der Grünen-Ministerin Annalena Baerbock geführt. Der aussenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Trittin, hatte das eine zufällige Konstellation genannt – es gehe um einen institutionellen Konflikt.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

FlüchtlingskriseBundesratParlamentBundestagGesetzEU