Russland soll im Ukraine-Krieg mit Todeslisten auch gezielt nach Zivilisten suchen. Ein Überlebender von Butscha musste sich tagelang in Eiseskälte verstecken.
Butscha ukraine krieg
Ein ukrainischer Soldat steht in Butscha neben zerstörten russischen Panzern. Nach dem Rückzug der russischen Truppen kamen dort zahlreiche Kriegsverbrechen ans Licht. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem Massaker von Butscha kommen immer mehr Details ans Licht.
  • Offenbar suchte die russische Armee im Kiewer Vorort mit Todeslisten nach Zivilen.
  • Ein Überlebender erzählt, wie er sich wochenlang vor den Soldaten verstecken musste.
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Im Ukraine-Krieg sollen Todeslisten zirkulieren, mit denen Russland gezielt Jagd auf bestimmte Ukrainer macht. Dabei geht es nicht nur um hochrangige Politiker oder Militärs. Auch ganz gewöhnliche Einwohner mit Verbindungen zu Armee-Angehörigen werden aufgeführt.

Entsprechend geäussert haben sich Überlebende des Butscha-Massakers gegenüber der deutschen «Bild». Einer, der selbst auf einer solchen Liste gestanden haben soll, musste sich wochenlang auf dem Dachboden verstecken.

Ukraine-Krieg: «Russen-Soldaten waren sechs Mal bei mir zuhause»

Mykhola aus Butscha wurde kurz nach der Besetzung von ansässigen Freunden gewarnt: Die Russen hätten Informationen der Stadtverwaltung gestohlen, um Angehörige von Militärs, Aktivisten oder Politkern ausfindig zu machen. Der 52-Jährige hat mehrere solcher Verbindungen.

Trauernde Frau in Butscha
Die 57-jährige Tanya Nedashkivs'ka trauert um ihren Mann, der in Butscha im Ukraine-Krieg getötet wurde. Rodrigo Abd/AP/dpa - dpa

Und tatsächlich: Wenig später drangen erstmals russische Soldaten in sein Haus ein. «Sie kamen insgesamt sechs Mal, um mich zu holen», so Mykhola.

«Einmal schossen sie acht Kugeln in die Tür, brachen sie auf und begannen in unserer Küche zu schiessen. Wir schafften es, auf den Dachboden zu gelangen.» Dort verharrten er und seine Frau Viktoria (48) bei Minusgraden – tagelang.

«Sie machten alles im Haus kaputt und zerschlugen es. Sie warfen auch eine Handgranate in unseren Keller.» Dort hatte das Paar einen Teil der Lebensmittelvorräte versteckt, «Brot haben wir vier Wochen lang nicht gesehen».

Mörder sollen keine Burjaten gewesen sein

Mykhola hat die Morde an Zivilisten in Butscha aus nächster Nähe miterlebt. Er berichtet von zwei unterschiedlichen Besatzereinheiten im Ukraine-Krieg.

Selenskyj in Butscha
Viel unterwegs: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, begutachtet den Schauplatz eines Gefechts in Butscha. Efrem Lukatsky/AP/dpa - dpa

«Die ersten kamen am 6. oder 7. März hierher. Diese Welle war mehr oder weniger in Ordnung, sie hatten silberne Bänder an den Armen.»

Doch vier Tage später seien neue Soldaten angekommen, mit roten Bändern an den Armen. «Es waren keine Burjaten, es waren Russen. Sie kamen zu uns, sie kannten meine Adresse, fragten unsere Nachbarn nach uns.» Die neuen Soldaten hätten umgehend angefangen zu wüten.

Macht Ihnen der Ukraine-Krieg Angst?

Insgesamt wurden in Butscha nach dem russischen Abzug mehr als 320 Leichen aufgefunden. Weil Minenräumer den Ort noch nicht freigegeben haben, sind noch immer nicht alle Opfer beerdigt. Bald sollen internationale Teams nach Butscha kommen, um mögliche Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte aufzuklären.

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