Nach grossen Einbussen durch das Coronavirus können es die Kreuzfahrt-Reeder kaum erwarten, ihre Flotten wieder loszuschicken. Doch ist das auch sinnvoll?
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Personal in Schutzanzügen wartet auf Passagiere, die die «Diamond Princess» verlassen. Auf dem Kreuzfahrtschiff gab es 13 Corona-Todesfälle. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kreuzfahrtbranche wurde von der Corona-Krise hart getroffen.
  • In Kürze starten deutsche Reedereien wieder erste Kreuzfahrten.
  • Angesichts des Corona-Desasters auf der «Diamond Princess» bestehen jedoch Zweifel.

Noch ehe das Coronavirus in Europa ausbrach, war der Name «Diamond Princess» in aller Munde. Das Kreuzfahrtschiff, das am 5. Februar in Yokohama unter Quarantäne gestellt wurde, sorgte für einen der ersten grösseren Ausbrüche ausserhalb Chinas.

Nach Ende der Quarantäne blieb eine traurige Bilanz: 712 Passagiere infizierten sich mit dem Coronavirus, 13 Personen starben – das Schiff wurde zur Seuchenschleuder. Wissenschaftler zeichneten Worst-Case-Szenarios: Die «Diamond Princess» wurde zum Negativbeispiel für einen Ort, an dem sich das Virus ungebremst ausbreiten konnte.

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Unter schärfsten Hygiene-Vorkehrungen werden mit dem Coronavirus Infizierte von der «Diamond Princess» evakuiert. 712 Personen steckten sich an Bord an. - Keystone

Sie war nur eines von vielen Kreuzfahrtschiffen, auf denen das Coronavirus ausbrach. Nun lassen die deutschen Reedereien ihre Kreuzfahrtflotten wieder in See stechen. Auch wenn die Reiseorganisatoren sich mit langen Listen von Corona-Vorschriften überbieten, bleibt die Frage: Ist diese Entscheidung sinnvoll?

Branche ist nach Coronavirus finanziell am Anschlag

Klar ist: Jeder Tag, an dem die weltweit rund 400 Kreuzfahrtschiffe ohne Passagiere vor Anker liegen, kostet die Branche viele Millionen. Alleine Aida Cruises macht normalerweise einen durchschnittlichen Tagesumsatz von über fünf Millionen Franken – jeder Tag des Stillstands schmerzt.

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Ein Kreuzfahrtschiff im Bau in der gigantischen Meyer Werft im deutschen Papenburg. Die Branche schafft viele Tausende Arbeitsplätze, die nun in Gefahr sind. - Keystone

Besonders in Deutschland hängen viele Arbeitsplätze an der Branche: Während Frachtschiffe heute hauptsächlich in Fernost gebaut werden, sind die Auftragsbücher der deutschen Werften voll mit Kreuzfahrtschiff-Aufträgen. Krankt die Branche, sehen Wirtschaftsverbände viele Arbeitsplätze in Not.

Neuanfang so bald wie möglich

Aus wirtschaftlichen Aspekten ist die Entscheidung der Reedereien nachvollziehbar: Der Neuanfang soll so bald wie möglich gewagt werden. Doch kommt der Schritt zur rechten Zeit?

Angesichts der Lockerung in Deutschland dürfen Aida, Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises nun wieder ihre ersten Kreuzfahrten anbieten. Doch aufgrund der Situation wirkt das Angebot kurios: Die Kreuzfahrtschiffe steuern auf der Reise keine Häfen an – die Touristen müssen die ganze Fahrt an Bord bleiben.

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Als sich während der Corona-Krise keine Gäste an Bord befanden, steckten sich 12 Besatzungsmitglieder auf dem TUI-Kreuzfahrtschiff «Mein Schiff 3» an. Im September soll das Schiff wieder mit - Keystone

Moderne Kreuzfahrtschiffe bieten normalerweise ein breites Freizeitangebot – doch auch das bleibt eingeschränkt: Der Sicherheitsabstand muss eingehalten werden, wo nicht möglich, gilt Maskenpflicht. Discoabende und Poolpartys finden vorerst nicht statt, das restliche Angebot bleibt eingeschränkt.

Risiko ist hoch

In den neuesten Werbevideos preisen die Kreuzfahrt-Anbieter die Sicherheit ihrer Schiffe an. Man mache alles, was hinsichtlich der Vorbeugung einer Infektion mit dem Coronavirus möglich ist, so die Kernaussage.

«Die Hotellerie und die Restaurants an Land haben bereits wieder geöffnet», argumentiert Dennis Wiechert, Leiter Product Management bei Tui Cruises. Doch die Erfahrungen der Vergangenheit stellen den Vergleich infrage: Bereits vor der Coronavirus-Pandemie kam es auf Kreuzfahrtschiffen immer wieder zu Krankheitsausbrüchen.

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Passagiere auf den Balkons der «Diamond Princess». Während die Gäste die Quarantäne an Bord ausharren mussten, breitete sich das Virus immer weiter aus. - Keystone

Unabhängig davon, was erlaubt ist, bleibt die Ausgangssituation die gleiche: Auch unter Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften stellt enger Kontakt ein Risiko dar. Dieser lässt sich auf einem Kreuzfahrtschiff kaum vermeiden – auch wenn die Kapazitäten noch nicht voll ausgeschöpft werden. Dementsprechend warnt beispielsweise das Deutsche auswärtige Amt weiterhin vor Kreuzfahrten.

Ein infizierter Passagier reicht

Bei allen Passagieren wird vor Reiseantritt die Temperatur gemessen. PCR-Tests auf das Coronavirus können an Bord durchgeführt werden, werden jedoch nur bei Verdacht durchgeführt. Doch viele Corona-positive Personen bleiben ohne Symptome – auf der Diamond Princess waren es 331 symptomfreie Infizierte. Eine einzige symptomfreie Person kann auf einem Kreuzfahrtschiff viele weitere Personen anstecken.

Auf den ersten Kreuzfahrten ab Deutschland sind lediglich Reisende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen. Ob der Wiedereinstieg gelingt, wird sich Ende Juli zeigen, wenn die ersten Schiffe ablegen. Sollte es dennoch zu einem zweiten «Diamond Princess»-Desaster kommen, rückt die Branche in Erklärungsnöte – und riskiert deutlich längere Geschäftsausfälle.

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