Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Donnerstag in der Slowakei das Verfahren um den Mord an dem Journalisten Jan Kuciak begonnen.
Der Hauptverdächtige Marian Kocner
Der Hauptverdächtige Marian Kocner - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Hauptangeklagter Kocner erscheint mit kugelsicherer Weste.
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Der mutmassliche Drahtzieher, der Geschäftsmann Marian Kocner, erschien mit kugelsicherer Weste und Helm zu der Anhörung vor dem Sondergericht in Pezinok nördlich der Hauptstadt Bratislava. Die Staatsanwaltschaft wirft Kocner vor, den Mord an dem Enthüllungsjournalisten in Auftrag gegeben zu haben, nachdem ein Erpressungsversuch gescheitert war.

Der 27-jährige Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova waren im Februar 2018 erschossen worden. Der Reporter hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und slowakischen Politikern recherchiert und sich auch mit den Geschäften von Kocners zahlreichen Unternehmen befasst.

Angehörige der Opfer nahmen an der Anhörung vor Gericht teil, bei der nach Angaben der Nachrichtenagentur TASR die Anklage und die Rechtmässigkeit der Beweise geprüft wurden. Es war das erste Mal, dass sie den mutmasslichen Tätern gegenüberstanden.

Das Gerichtsgebäude wurde von mehreren Polizisten mit Hunden bewacht. Falls keine Verfahrensfehler festgestellt werden, wollte das Gericht einen Termin für den Beginn der eigentlichen Verhandlung festlegen.

Neben Kocner erschienen auch die Angeklagten Alena Zsuzsova, Tomas Szabo und Miroslav Marcek vor Gericht. Ein fünfter Verdächtiger, Zoltan A., der mutmasslich als Mittelsmann fungierte und mit den Ermittlern zusammengearbeitet hatte, war nicht anwesend. Er könnte als Zeuge angehört und sein Fall in einem separaten Verfahren behandelt werden.

Kocners Anwalt, Marek Para, erklärte vor Gericht, er habe die Unterlagen zur Vorbereitung der Verteidigung nicht vollständig erhalten. Para führte eine Reihe angeblicher Ermittlungsfehler an und forderte, das Verfahren zu vertagen. «Ich bin überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung des Prozesses in der Sache nicht erfüllt sind», sagte er.

Auf die Frage der vorsitzenden Richterin, ob er zu einer Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft zur Strafminderung bereit wäre, sagte Kocner: «Ich bin an keiner Einigung interessiert.» Auch die drei weiteren Angeklagten lehnten dies ab. «Ich bin nicht interessiert, ich bin unschuldig», erklärte Alena Zsuzsova, die frühere Dolmetscherin Kocners.

Dem 56-jährigen Kocner drohen im Fall einer Verurteilung nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwischen 25 Jahre und lebenslanger Haft. Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, aus der zuvor mehrere slowakische Medien zitiert hatten, versuchte der als Auftraggeber des Mordes verdächtigte Kocner, Kuciak vor seinem Tod zu erpressen.

Dem Gerichtsdokument zufolge fand Kocner «keinen Schmutz», mit dem er den Journalisten hätte belasten und diskreditieren können. Dies habe ihn zu der Entscheidung bewogen, «ihn physisch loszuwerden und so weitere Enthüllungen über seine Aktivitäten zu verhindern».

Der Multimillionär, gegen den auch in mehreren Betrugsfällen ermittelt wird, ist für seine feindselige Haltung gegenüber Journalisten bekannt. In einem Telefonat hatte er Kuciak und dessen Familie vor dessen Tod bedroht. Ein Mitschnitt davon wurde später von der Nachrichtenseite «aktuality.sk» veröffentlicht, für die Kuciak vor dem Mord arbeitete.

Der Mord an Kuciak und die postume Veröffentlichung seines Artikels hatten Massendemonstrationen gegen die Regierung ausgelöst und schliesslich zum Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico geführt. Seine Nachfolge trat im März 2018 Peter Pellegrini an. Die Proteste ebneten den Weg für die Wahl der Rechtsanwältin und Anti-Korruptions-Aktivistin Zuzana Caputova zur Präsidentin im März.

Kocner soll den Ermittlern zufolge tausende Textnachrichten mit hochrangigen Regierungsvertretern der sozialdemokratischen Regierungspartei Smer-SD ausgetauscht haben. Der frühere Regierungschef und Smer-Vorsitzende Fico hatte beklagt, Opposition und Medien brächten seine Partei unrechtmässig mit Kocner in Verbindung. Fico blieb trotz seines Rücktritts Parteivorsitzender und hat Beobachtern zufolge nach wie vor grossen politischen Einfluss.

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