Das Bundesgericht hat entschieden: Leibesvisitationen dürfen nur auf der Oberfläche und ausserhalb des Intimbereichs durchgeführt werden.
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Das Bundesgericht hat die Bedingungen für Leibesvisitationen definitiv festgelegt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Deutschland dürfen Leibesvisitationen nur noch unter gewissen Bedingungen stattfinden.
  • So muss die Vollstreckung auf der Körperoberfläche durchgeführt werden.
  • Ebenso darf nicht in den Intimbereich eingegriffen werden.

Grenzschutzbeamte dürfen wie Polizisten und Gefängnispersonal eine Leibesvisitation durchführen, wenn die Umstände dies erfordern. Die Durchsuchungen müssen sich aber auf die Oberfläche des Körpers und Körperöffnungen ausserhalb des Intimbereichs beschränken. Das hält das Bundesgericht in einem am Dienstag publizierten Urteil fest.

Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob Genfer Grenzschutzbeamte ihre Kompetenzen überschritten haben. Sie unterzogen 2017 eine 36-jährige Frau einer vollständigen Leibesvisitation. Die Personendurchsuchung wurde veranlasst, nachdem die Beamten im Handschuhfach ihres Autos einen Joint gefunden hatten.

Betroffene reichte Klage ein

Die Frau musste bei der Leibesvisitation, die von weiblichem Personal durchgeführt wurde, vollständig entkleiden. Ausserdem wurde sie aufgefordert, sich nach vorne zu beugen und das Gesäss zu spreizen.

Die Frau reichte Klage daraufhin wegen Amtsmissbrauchs und Nötigung ein und verlangte eine Genugtuung in Höhe von 5000 Franken. Das Strafverfahren wurde von der Militärjustiz geführt und ist noch hängig. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte unterdessen die Forderung nach einer Entschädigung ab.

Das Bundesgericht hingegen hiess die Beschwerde gemäss dem am Dienstag veröffentlichten Urteil gut. Es stellt fest, dass die körperliche Durchsuchung nicht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprach. Die Frau war 2015 Opfer sexueller Handlungen geworden und bewahrte in ihrem Portemonnaie eine Karte auf, die diese Übergriffe belegten.

Bundesgerichtshof
Bundesgerichtshof - AFP/Archiv

Die Zollbeamten hätten vor einer Leibesvisitation eine weniger einschneidende Inspektion der persönlichen Gegenstände durchführen müssen. Diese Auffassung vertreten die Bundesrichter. Wären sie in dieser Reihenfolge vorgegangen, hätten sie die Karte gefunden und die Situation besser einschätzen können.

Über den Einzelfall hinaus stellte das Bundesgericht zudem fest, dass im Zollgesetz eine rechtliche Unklarheit besteht. Und zwar, inwieweit die Beamten befugt sind, den Intimbereich einer Person zu inspizieren. Die Richter der zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung kamen zu einem Schluss: Das Gesetz ist so auszulegen, dass Zollbeamte die gleichen Befugnisse wie Polizisten oder Gefängnispersonal haben.

Intime Untersuchungen nur bei Verdacht gerechtfertigt

2020 hatte das Bundesgericht in einem Leiturteil festgehalten: Intime Untersuchungen bedeuten einen Eingriff in die persönliche Würde und damit auch in die Grundrechte der Betroffenen. Sie sind deshalb nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht besteht und die Verhältnismässigkeit gewahrt wird. Generell und ausser in Notfällen muss jede Durchsuchung von Beamten desselben Geschlechts durchgeführt werden.

Der Fall geht nun ans Bundesverwaltungsgericht zurück. Dieses muss nochmals prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entschädigung der Beschwerdeführerin erfüllt sind.

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