Mit umstrittenen Äusserungen hat Frankreichs Präsident in islamischen Ländern Empörung ausgelöst. Noch gibt es kein offizielles Motiv für den Angriff in Nizza.
Karikaturenstreit - Proteste im Irak
Ein Demonstrant in Bagdad hält ein mit einem Schuhabdruck gestempeltes Bild des französischen Präsidenten Macron während einer Demonstration gegen diesen vor der französischen Botschaft. Die Demonstranten kritisieren die politische Haltung gegenüber der islamischen Religion und dem Heiligen Propheten Mohammed in Frankreich, nachdem Macron sich für die Veröffentlichung von religionskritischen Karikaturen ausgesprochen hat. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach der Enthauptung eines Lehrers äusserte sich Macron kritisch über den Islam.
  • Zudem verteidigte der französische Präsident Mohammed-Karikaturen.
  • Die Empörung in islamischen Ländern darüber ist gross.
  • Am Donnerstag kam es zu einem terroristischen Angriff in Frankreich.

Frankreich steht unter Schock: Innerhalb von nur wenigen Stunden ist es am Donnerstag zu gleich drei Angriffen auf Franzosen gekommen.

In Nizza wurden bei einer Messerattacke drei Menschen getötet und mindestens sechs Menschen verletzt. In der Nähe von Avignon hat zudem ein bewaffneter Mann versucht, Polizisten anzugreifen. Die dritte Attacke ereignete sich auf der Wache vor dem französischen Konsulat in Saudi-Arabien.

Messerattacke in Nizza
Forensiker und Polizeibeamte arbeiten am Tatort eines Messerangriffs vor der Kirche Notre-Dame in der südfranzösischen Küstenstadt Nizza. - dpa

Frankreich rief darauf die höchste Terrorwarnstufe aus. Berichten zufolge sollen der mutmassliche Täter von Nizza und der Angreifer bei Avignon «Allahu akbar» («Gott ist gross») gerufen haben. Die französische Polizei hat noch kein offizielles Motiv bekannt gegeben.

Macrons Kritik am Islam

Erst vor zwei Wochen wurde in Paris ein Lehrer auf offener Strasse von einem 18-jährigen islamistischen Terroristen enthauptet. Dieser hatte Anfang Oktober im Unterricht die Mohammed-Karikaturen von «Charlie Hebdo» gezeigt und thematisiert.

Diese schreckliche Tat veranlasste Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron dazu, sich bei einer Rede und öffentlichen Auftritten kritisch über den Islam zu äussern. Frankreich werde etwa nicht aufhören, Karikaturen des Propheten Mohammed zuzulassen. Das Land werde die Meinungsfreiheit verteidigen und habe ein «Recht auf Blasphemie».

Coronavirus - Frankreich Macron
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich. - dpa

Auch kündigte Frankreichs Staatschef ein Gesetz gegen «islamischen Separatismus» und eine «Reform» des Islam in Frankreich an. Der Islam sei eine Religion, die sich «weltweit in der Krise» befinde. Auch andere hochrangige Politiker Frankreichs wie der Innenminister haben sich islamkritisch geäussert.

Erdogan giesst Öl ins Feuer

Diese Äusserungen haben seither in der islamischen Welt eine Welle der Empörung ausgelöst. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat daraus einen internationalen Konflikt gemacht, als er Macrons Geisteszustand öffentlich infrage stellte. Danach zog Frankreich seinen Botschafter ab, Erdogan wiederum forderte den Boykott französischer Produkte.

Karikaturenstreit - Erdogan
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, hält eine Rede. - dpa

In einigen islamischen Ländern wurde dieser Aufruf zum Boykott französischer Waren geteilt. Händler in Jordanien, Kuwait und Katar haben französische Produkte aus ihren Filialen entfernt. Mehrere arabische Regierungen kritisierten Macrons Verteidigung von Karikaturen im Rahmen der Meinungsfreiheit. Pakistans Premier Imran Khan sagte, Macron attackiere den Islam.

In Ländern wie der Türkei und Syrien kam es zu Protesten gegen Frankreich. Bei Demonstrationen im Gazastreifen wurden Fotos des französischen Präsidenten abgebrannt, eine iranische Zeitung bildete ihn auf der Titelseite sogar als Teufel ab. Daraufhin hat Frankreich Sicherheitshinweise für mehrere muslimische Länder veröffentlicht.

Frankreich im Karikaturen-Streit
Die Titelseite der Ausgabe vom Dienstag, 27. Oktober 2020 der iranischen Hardlinerzeitung «Vatan-e Emrooz» stellt den französischen Präsidenten Macron als Teufel dar und nannte ihn in einer Karikatur Satan. - dpa

Und Erdogan goss noch zusätzliches Öl ins Feuer, als er europäischen Politikern Islamfeindlichkeit vorwarf: «Ihr seid im wahrsten Sinne des Wortes Faschisten», sagte er. «Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde.» Damit zeigt der türkische Präsident einmal mehr, dass ihm jedes Mittel recht ist, um von Problemen im eigenen Land abzulenken.

Entwicklungen verschärfen Spannungen

Auch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, der aktuell 56 Staaten angehören, kritisierte die Aussagen der französischen Politiker. Muslime und der Islam würden mit Terrorismus von Frankreich in einen Topf geworfen. Die Organisation hatte die Ermordung des französischen Lehrers klar verurteilt, aber gleichzeitig einen Zusammenhang mit dem Islam als Religion zurückgewiesen.

Messerattacke in Nizza
Emmanuel Macron (3.v.l), Präsident von Frankreich, und Christian Estrosi (4.v.l)), Bürgermeister von Nizza, sprechen nach einer Messerattacke in der Kirche Notre-Dame in der südfranzösischen Küstenstadt Nizza mit Polizeibeamten. - dpa

Dennoch scheint die Empörung über Frankreich die muslimische Welt zu einen. Das Problem dabei ist auch, dass in Frankreich europaweit die meisten Muslime Leben. Da diese zu einem grossen Teil auf eigenen Werten beharren, gibt es im französischen Staat ein Spannungsverhältnis.

Ob diese Entwicklungen zum Angriff in Nizza geführt haben, bleibt offen. Klar ist, dass sich ebendieses Spannungsverhältnis durch die gegen den Islam generell gerichteten Aussagen Macrons, die Äusserungen Erdogans sowie die Reaktion der islamischen Welt verschärft hat.

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