2008 rief das kosovarische Parlament die Unabhängigkeit der Republik Kosovo aus. Für Serbien bleibt es jedoch auch heute noch eine autonome serbische Provinz.
Kosovo Flagge
Die Flagge des Kosovo hängt über der Fassade eines Hochhauses. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Februar 2008 erklärte das kosovarische Parlament die Unabhängigkeit des Kosovo.
  • Über die Hälfte der UN-Staaten hat die Republik bisher anerkannt.
  • Weil Serbien die Republik nicht anerkennt, ist ein EU-Beitritt Kosovos unwahrscheinlich.

Vor über zehn Jahren proklamierte das kosovarische Parlament die Unabhängigkeit des Kosovo. Doch noch längst wird die Republik nicht von allen UN-Staaten anerkannt. Auch weil Serbien darauf beharrt, dass es eine autonome serbische Provinz sei.

Um den Zwist zwischen Serbien und Kosovo-Albanern um das Gebiet zu begreifen, lohnt sich ein Blick auf die Geschichte.

Gründung des serbischen Nemanjidenreiches

Als sich im 12. Jahrhundert unter Stefan Nemanja das serbische Nemanjidenreich bildet, fallen auch Gebiete im Kosovo in dessen Herrschaftsgebiet. Bis dahin unterstanden diese dem byzantinischen Reich.

Das Gebiet entwickelt sich in der Folge, aufgrund der Handelswege und Bodenschätze, zum Mittelpunkt des Reiches. Sowohl wirtschaftlich als auch politisch und kulturell. Doch nach mehreren Schlachten erobern die Osmanen 1454 die Region des heutigen Kosovo. Das Gebiet wird für die nächsten vier Jahrhunderte zur Provinz des Osmanischen Reiches.

Kosovo
Die Sinan-Pascha-Moschee von 1615 in Prizren als Beispiel osmanischer Architektur im Kosovo. - Wikipedia

Mythos um Schlacht auf dem Amselfeld

Die rückblickend vielleicht «wichtigste» Schlacht ist jene auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) unweit von Pristina am Flusslauf des Lab. Das serbische Heer unter der Führung des Fürsten Lazar Hrebeljanovic trifft am 15. Juni 1389 auf das osmanische unter dem Sultan Murad I.

Die christlichen und muslimischen Quellen unterscheiden sich über den militärischen Ausgang der Schlacht. Klar ist jedoch: Beide Führer haben sie nicht überlebt.

Für die Serben entwickelt sich aus der Schlacht ein wahrer Mythos, besonders in der Rezeption der serbisch-orthodoxen Kirche. Daraus entsteht später der politische Mythos des Opfertods bei der Verteidigung der Christenheit.

Kosovo
Befestigungen aus dem 14. Jahrhundert auf dem Amselfeld im Kosovo. - Wikipedia

Dieser Amselfeld-Mythos prägt die serbische nationale Identität bis heute. Er begründet die emotionale Bindung der Serben an die heute mehrheitlich von Albanern bewohnte Region.

Kosovo während der Osmanischen Herrschaft

Unter der Osmanischen Herrschaft versuchen sich die Serben mehrmals zu befreien. Da dies nicht gelingt, kommt es 1690 zum grossen Exodus: Viele flüchten in Richtung Norden.

Als das Fürstentum Serbien 1878 die Unabhängigkeit erlangt, kommt es erneut zu Bevölkerungsverschiebungen. Viele Serben verlassen den Kosovo oder werden zur Aussiedlung gezwungen. Die Region weist erstmals eine albanische Mehrheit auf.

Osmanisches Reich
Eine historische Karte des Osmanischen Reiches. - Pixabay

Nach dem ersten Balkankrieg wurde der heutige Kosovo 1912 mehrheitlich Serbien zugeschlagen. Die serbische Regierung wollte die neu gewonnenen Gebiete schnell dem restlichen Staatsgebiet angleichen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und die Besetzung Serbiens verhinderten jedoch die Pläne der «Serbisierung» des Kosovo.

Die österreichisch-ungarische Armee besetzte die nördlichen und westlichen Teile des Kosovo. Die lokale Verwaltung wurde den Einheimischen übergeben. Nach Abzug der Österreicher 1918 kam es zu Racheakten der zurückkehrenden serbischen Truppen an der kosovarischen Bevölkerung.

Bei Kriegsende formierte sich eine Widerstandsbewegung der Kosovo-Albaner, welche gegen die wieder in den Kosovo einrückenden Serben kämpften. Noch bis Anfang der 20er-Jahre wurde die Provinz von Aufständen der Albaner erschüttert.

Kosovo
Kosovo war nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien. - Wikipedia

Ab 1918 wird das Gebiet Teil von Jugoslawien, während des Zweiten Weltkrieges wird es Albanien angegliedert. Während des Krieges vertreibt eine albanische SS-Division Tausende serbische Familien und ermordet zahlreiche Juden und Serben. Noch vor Ende des Kriegsgeschehens kommt es zu serbischen Racheakten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Weltkrieg wird der Kosovo Bestandteil der Sozialistischen Republik Serbien innerhalb des sozialistischen Jugoslawiens. 1963 wird die Region in eine autonome Provinz umgewandelt, womit die Abhängigkeit von der serbischen Republik verstärkt wird. Eine Änderung in der jugoslawischen Verfassung in den 1970er-Jahren erweitert die Autonomierechte und baut das Mitbestimmungsrecht stark aus.

Kosovo
Die Innenstadt von Pristina, der heutigen Hauptstadt der Republik Kosovo. - Wikipedia

Die Regierung Slobodan Milošević

In den 1980er Jahren wurden nationalistische Bestrebungen sowohl bei den Serben als auch bei den Albanern sichtbar. Beide Volksgruppen beklagten sich über gegenseitige Diskriminierung. Die angeheizte Stimmung begünstigte auch die Machtergreifung von Slobodan Milošević, welcher grundlegende Reformen versprach.

Unter Milošević fällt das serbische Parlament 1989 einen Beschluss, der den Autonomiestatus wieder stark einschränkt. Albanische Politiker rufen deswegen zum Boykott aller serbischen staatlichen Einrichtungen auf.

Serbien Kosovo
Slobodan Milosevic wurde in insgesamt 66 Klagepunkten, unter anderem wegen Völkermord im Kosovokrieg, vor dem Kriegsverbrechertribunal angeklagt. - Keystone

Die Kosovo-Albaner baten in europäischen Ländern um Asyl und beklagten die Verletzung ihrer Menschen- und Bürgerrechte durch die Regierung Milošević. 1992 erklären sich die Albaner im Kosovo durch ein Referendum erstmals für unabhängig. Einzig von Albanien wurde dies anerkannt.

Widerstand geht in kämpferische Auseinandersetzungen der UCK über

Ein lange Zeit gewaltfreier Widerstand ging ab etwa 1996 unter Führung der UÇK in kämpferische Auseinandersetzungen über. In den nächsten Jahren steigen die Flüchtlingszahlen, immer mehr Kosovo-Albaner fliehen nach Albanien, Nordmazedonien, in die EU und die Schweiz.

Kosovo
Das Wappen der UCK auf der Kleidung eines UCK-Soldaten. Die Abkürzung UCK steht übersetzt für «Befreiungsarmee des Kosovo». - Keystone

Nato bombardiert strategische Ziele

Im März 1999 startet die Nato mit der Bombardierung strategischer Ziele in Jugoslawien. Damit will sie eine Katastrophe im Kosovokrieg abwenden. Nach Ende des Krieges folgen Gewaltexzesse gegen mehrere Minderheiten. Trotz der Kfor-Präsenz sind Serben und Roma den Übergriffen der UCK ausgesetzt.

Kosovo Konflikt 1999
Yugoslawische Panzer am 16. Juni 1999 vor dem Abzug vor Mitrovica, Kosovo. - Keystone

Dies führt dazu, dass nach dem Kosovokrieg immer mehr Serben aus der Region fliehen. Nach einer weiteren Gewalteskalation im März 2004 verstärkt die Nato ihre Präsenz.

Umstrittene Unabhängigkeit

Am 17. Februar 2008 proklamiert das kosovarische Parlament die Unabhängigkeit der Republik Kosovo. In den folgenden Wochen kommt es zu weiteren Ausschreitungen, diesmal im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden.

Noch im Dezember des gleichen Jahres entsendet die EU die EULEX-Kosovo-Mission, welche die rechtsstaatliche Entwicklung unterstützen soll. Seit der Unabhängigkeitserklärung haben 115 der 193 Mitgliedstaten der Vereinten Nationen die Republik Kosovo anerkannt.

Kosovo Unabhängigkeit
Kosovo feiert ein Jahr nach ihrer Unabhängigkeitserklärung. - Keystone

Solange die serbische Regierung die Republik nicht anerkennt, stehen die Chancen für eine Aufnahme in die EU gleich null. Denn: Für die Europäische Union ist dies die Vorbedingung für einen Beitritt. Auch deswegen versucht sie in den Gesprächen zwischen Serbien und dem Kosovo zu vermitteln.

Konflikte nach der Unabhängigkeitserklärung

Im Sommer 2011 bricht zwischen Serbien und der Republik ein Zollkonflikt aus, der erst 2012 beigelegt wird. Serbiens Regierung stimmt zu, dass die Provinz künftig in internationalen Organisationen selbstständig auftreten darf. Dies jedoch ohne die Bezeichnung «Republik» gebrauchen zu dürfen.

Kosovo
Der abgesperrte Tatort in Mitrovica, Kosovo, nach der Ermordung des serbischen Politikers Oliver Ivanovic. - Keystone

Im Januar 2018 kommt es zu einem politischen Mord. Oliver Ivanovic, Politiker der serbischen Minderheit im Kosovo, wird vor der Zentrale seiner Partei in Mitrovica von bisher Unbekannten erschossen.

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