Unter heftigen Protesten der Regierung in Teheran lieferte Deutschland 2018 den Iraner Assadollah A. an Belgien aus. Jetzt wurde der Diplomat als Drahtzieher eines vereitelten Terroranschlags verurteilt. Und es gibt Forderungen nach politischen Konsequenzen.
Demonstranten während der Urteilsverkündung vor dem Justizpalast in Antwerpen. Foto: Dirk Waem/BELGA/dpa
Demonstranten während der Urteilsverkündung vor dem Justizpalast in Antwerpen. Foto: Dirk Waem/BELGA/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • In dem Terrorprozess um einen vereitelten Sprengstoffanschlag auf eine Grosskundgebung von iranischen Exil-Oppositionellen in Frankreich ist der Hauptangeklagte zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.

Ein Gericht im belgischen Antwerpen sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass der 49 Jahre alte iranische Diplomat Assadollah A. für den Attentatsplan gegen die Veranstaltung mit Tausenden Teilnehmern verantwortlich ist. Der Mann wurde wegen versuchten Mordes und Beteiligung an einer terroristischen Organisation schuldig gesprochen. Zwei weitere Männer und eine Frau erhielten Haftstrafen von bis zu 18 Jahren.

Brisant ist das Urteil, weil Assadollah A. den Ermittlungen zufolge Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes MOIS ist, zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und ausserhalb des Irans gehört. Es gilt deswegen als möglich, dass den Anschlagsplänen ein direkter staatlicher Auftrag zugrunde lag. Laut dem Urteil gehörten nicht nur Assadollah A., sondern weitere Geheimdienst-Mitarbeiter zu der Terrorgruppe, die das Attentat plante.

Diese These vertritt auch die im Iran verbotene Oppositionsgruppe NWRI. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) hatte die Grosskundgebung am 30. Juni 2018 in Villepinte bei Paris organisiert. An ihr hatten auch zahlreiche westliche Unterstützer teilgenommen, darunter der Anwalt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, Rudy Giuliani.

Der NWRI forderte die europäische Politik am Donnerstag auf, Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. «Die heutige Verurteilung des iranischen Terror-Diplomaten durch eine europäische Justizbehörde bestätigt den staatlichen Terrorismus des iranischen Regimes», sagte NWRI-Präsidentin Maryam Rajavi. Konkret sprach sie sich unter anderem dafür aus, iranische Botschaften in der EU zu schliessen und europäische Botschafter aus Teheran abzuziehen.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte in Brüssel, das Urteil und seine Implikationen würden nun geprüft. Er erinnerte daran, dass die Europäische Union Assadollah A. bereits vor mehr als einem Jahr auf ihre Terrorliste gesetzt hatte. Zudem war damals auch die Direktion für innere Sicherheit des Geheimdienstes MOIS gelistet worden.

Die Regierung in Teheran wies die Vorwürfe des Staatsterrorismus vehement zurück und erklärte, dass die Anschlagsplanungen von Regimegegnern inszeniert worden seien. Aussenamtssprecher Said Chatibsadeh bezeichnete die Verurteilung des Diplomaten am Donnerstag als Verstoss gegen internationale Normen und als politisch motiviert. Belgien habe sich von der Propaganda einer «Terrorgruppe» blenden lassen, sagte er. Für die Rehabilitierung von Assadollah A. werde Teheran alle rechtlichen und diplomatischen Kanäle nutzen.

Die iranische Regierung hatte bereits gegen die Festnahme von Assadollah A. in Deutschland heftig protestiert, weil der Mann zum Tatzeitpunkt an der iranischen Botschaft in Wien als Diplomat akkreditiert war. Assadollah A. war am 1. Juli 2018 an einer Autobahnraststätte bei Aschaffenburg (Bayern) verhaftet und dann von Deutschland an Belgien übergeben worden.

Die deutsche Justiz argumentierte, dass Assadollah A. bei seiner Festnahme nicht unter diplomatischem Schutz gestanden habe, weil er sich ausserhalb Österreichs auf einer Urlaubsreise befand. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen den Mann einen Haftbefehl unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord erwirkt.

Zu den weiteren Verurteilten gehörte ein in Belgien lebendes Ehepaar, das den Anschlag nach den Ermittlungen hätte ausführen sollen. Assadollah A. soll ihm dafür Ende Juni 2018 in Luxemburg-Stadt eine Sprengvorrichtung mit insgesamt 500 Gramm des Sprengstoffes Triacetontriperoxid (TATP) übergeben haben. Belgische Spezialeinheiten hatten das Paar mit dem Sprengstoff im Auto dann allerdings auf dem Weg nach Frankreich gestoppt und festgenommen. Der Mann wurde nun nach Angaben der Gerichtssprecherin zu 15 Jahren Haft verurteilt, seine Frau zu 18 Jahren. Ein weiterer Mann soll 17 Jahre Haft in Haft.

Den drei Helfern von Assadollah A. wird nach dem Urteil zudem ihre belgische Staatsbürgerschaft entzogen. Ausserdem ordnete das Gericht an, Gelder zu konfiszieren, die die Mittäter vom iranischen Geheimdienst erhalten haben sollen. Nach Gerichtsangaben geht es insgesamt um einen Betrag von rund 453 000 Euro. Gegen das Urteil kann innerhalb von 30 Tagen noch Berufung eingelegt werden.

In Deutschland hatte es vor knapp 30 Jahren ein grossen Anschlag auf Iraner gegeben. Bei einem Attentat im September 1992 im Berliner Restaurant «Mykonos» wurden vier Iraner, die mit der iranischen Kurdenpartei PDKI in Verbindung standen, von einem Terrorkommando erschossen. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Mörder von einem «Komitee für Sonderangelegenheiten» geschickt worden seien, das aus höchsten Repräsentanten des iranischen Mullah-Regimes bestand. Im April 1997 waren insgesamt vier Attentäter zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.

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