Friedrich Merz noch nicht Kanzler: Warum polarisiert er so?
Friedrich Merz hat als erster Kandidat die Wahl zum Kanzler in der ersten Runde verpasst. Seit Jahren kämpft er mit einem Imageproblem. Wir blicken zurück.

Friedrich Merz hat laut «Tagesschau» als erster Kanzlerkandidat in der Geschichte der Bundesrepublik im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit verfehlt. Er erhielt nur 310 von 316 benötigten Stimmen, obwohl CDU/CSU und SPD gemeinsam 328 Sitze im Bundestag haben.
Die Wahl war geheim, sodass nicht nachvollzogen werden kann, wer aus den eigenen Reihen gegen ihn gestimmt hat. Dieses Ergebnis sorgte für einen politischen Paukenschlag und unterbrach die Plenarsitzung für Beratungen.

Das Grundgesetz sieht nun eine 14-tägige Frist für weitere Wahlgänge vor. In diesen können Merz oder ein anderer Kandidat erneut antreten.
Die Person Friedrich Merz
Friedrich Merz steht für einen wirtschaftsliberalen Kurs und eine klare konservative Linie. Viele schätzen seine wirtschaftliche Kompetenz und seine rhetorische Schärfe.
Gleichzeitig stösst sein Führungsstil auf Widerstand, besonders bei progressiveren Kräften innerhalb der CDU und bei Koalitionspartnern. Seine Positionen zu sozialen und gesellschaftlichen Themen werden oft als wenig kompromissbereit wahrgenommen.
Diese Mischung aus klarer Kante und wenig Konsensbereitschaft macht ihn für Unterstützer attraktiv, für Kritiker aber schwer vermittelbar. Gerade in Koalitionen ist das ein Problem, wie das Wahlergebnis zeigt.
Spannungen in der Koalition
Obwohl Union und SPD gemeinsam eine Mehrheit hätten, gab es offenbar Abweichler. In der SPD wurde zwar offiziell Geschlossenheit betont, doch das interne Misstrauen bleibt.

Auch in der Union gibt es Unzufriedenheit über Merz’ Kurs: etwa wegen seiner Haltung zur Schuldenbremse oder im Umgang mit der Parteibasis.
Die aktuelle Situation zeigt, wie fragil die Koalitionsdisziplin ist. Das erschwert die Regierungsbildung und belastet das politische Klima.
Umstrittene Aussagen im Wahlkampf
Friedrich Merz sorgte laut «Taz» in seiner letzten Wahlkampfrede für Empörung, als er die israelische Flagge als «Judenfahne» bezeichnete. Diese Formulierung sowie die Verdrehung von Tatsachen zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus wurde parteiübergreifend abgelehnt.
Auch seine Aussagen, dass Lehrkräfte bei Schülern aus migrantischen Familien kaum noch anerkannt würden, wurden als populistisch und spaltend bewertet.
Seine Behauptung, ausreisepflichtige Asylbewerber würden sich in Deutschland «die Zähne neu machen lassen», führte zu Anzeigen wegen Volksverhetzung.
Entscheidung zur Zusammenarbeit mit der AfD
Friedrich Merz' CDU/CSU-Fraktion im Bundestag brachte Initiativen zur Asylpolitik ein, die erstmals mithilfe der Stimmen der AfD eine Mehrheit erhielten. Dieses Tabubruch wurde von SPD, Grünen, Linken sowie Kirchen und auch von Angela Merkel scharf verurteilt.

Konkret ging es um einen Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Asylpolitik und einen Entwurf für ein sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz. Die Bereitschaft, rechtsextreme Stimmen für eigene Anträge in Kauf zu nehmen, wurde als gefährlich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingestuft.
Diese Entscheidungen führten zu deutschlandweiten Protesten mit Hunderttausenden Teilnehmern. Sie demonstrierten gegen die Normalisierung der Zusammenarbeit mit der AfD und gegen die Inhalte der CDU-Initiativen.
Öffentliche Wahrnehmung und Medien
In den Medien wird Friedrich Merz oft als Symbol für einen Richtungsstreit innerhalb der CDU dargestellt. Seine Aussagen und Auftritte sorgen regelmässig für kontroverse Debatten.
Im TV-Duell kurz vor der Wahl verteidigte Merz laut «ZDF» vehement die Schuldenbremse und sprach sich gegen neue Schulden aus. Nach der Wahl vollzog er jedoch eine Kehrtwende und befürwortete plötzlich milliardenschwere Investitionen auf Pump, was als Wählerbetrug kritisiert wurde.
Die aktuelle Kanzlerwahl hat noch einmal deutlich gemacht: Friedrich Merz steht wie kaum ein anderer Politiker für die Frage, wie viel Wandel und wie viel Kontinuität Deutschland will.