Ein neuer Fall brutaler Polizeigewalt in Frankreich sorgt bis an die Staatsspitze für Entsetzen: Präsident Emmanuel Macron äusserte sich am Freitag «sehr schockiert» über Videoaufnahmen von Polizisten, die einen schwarzen Musikproduzenten in seinem Pariser Studio zusammengeschlagen hatten und ihn als «dreckigen Neger» beschimpft haben sollen.
Der Musikproduzent wirft den Polizisten Gewalt und Rassismus vor
Der Musikproduzent wirft den Polizisten Gewalt und Rassismus vor - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Französische Fussballstars kritisieren Rassismus.

Nach einer Anhörung in der Polizei-Aufsichtsbehörde wurden vier Polizisten in Gewahrsam genommen - drei von ihnen wegen des Vorwurfs «rassistisch motivierter Gewalt». Gegen Rassismus wandte sich auch der französische Fussballstar und Weltmeister Kylian Mbappé.

Drei der vom Dienst suspendierten Polizisten müssen nach Angaben der Ermittler mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, weil sie den Musikproduzenten vor rund einer Woche geschlagen, getreten und rassistisch beleidigt haben sollen. Der vierte soll nach der Attacke eine Tränengasgranate in das Musikstudio geworfen haben, um den Produzenten und mehrere zur Hilfe geeilte Männer zum Herauskommen zu zwingen.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits am Dienstag Ermittlungen gegen die Beamten eingeleitet. Die Polizisten gaben an, der Produzent habe auf der Strasse keine Corona-Schutzmaske getragen und sich widersetzt. Gewalt durch den schwarzen Franzosen ist auf dem Video und auf Handyaufnahmen von Anwohnern jedoch nicht zu sehen.

Präsident Macron verlangte von Innenminister Gérald Darmanin klare Sanktionen gegen die Polizisten, wie ein Regierungsmitarbeiter nach einem Treffen der beiden Politiker sagte. Zuvor hatten sich bereits französische Fussballstars wie Antoine Griezmann und Kylian Mbappé entsetzt über die Aufnahmen einer Überwachungskamera gezeigt, die den Vorfall zeigen.

«Unerträgliches Video, untragbare Gewalt», schrieb Fussball-Weltmeister Mbappé auf Twitter zu den Bildern, die zahlreiche Nutzer im Internet teilten. «Stoppt den Rassismus», fügte er in Grossbuchstaben hinzu. Er veröffentlichte dazu ein Foto des mit Blutergüssen übersäten Gesichts des Musikproduzenten.

Der Produzent mit Vornamen Michel sagte, die Polizisten hätten ihn ohne jeden Grund angegriffen. «Sie sagten mehrfach 'dreckiger Neger' und prügelten dabei auf mich ein», erklärte er vor dem Pariser Sitz der Polizeiaufsichtsbehörde, wo er mit seinem Anwalt Anzeige erstattete.

Innenminister Darmanin warf den Polizisten vor, «die Uniform der Republik beschmutzt» zu haben. Die Pariser Polizei war diese Woche bereits wegen eines brutalen Einsatzes gegen Flüchtlinge in die Kritik geraten. Der Pariser Polizeipräfekt Didier Lallement und sein Dienstherr Darmanin stehen deshalb unter Druck, aus der Opposition werden Rufe nach ihrem Rücktritt laut.

Darmanin ist zudem mit massiven Protesten von Journalistenverbänden sowie linksgerichteten Aktivisten konfrontiert. Sie haben für Samstag zu neuen Demonstrationen gegen ein geplantes Gesetz für «umfassende Sicherheit» aufgerufen. Der Innenminister will damit brisante Aufnahmen von Polizei-Einsätzen unter Strafe stellen.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) rief Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) auf, sich im Namen des deutschen EU-Vorsitzes für die Pressefreiheit in Frankreich stark zu machen. Die Bundesregierung dürfe keine «Angriffe auf die Freiheitsrechte» dulden, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Die EU-Kommission und die UNO hatten Frankreich bereits ermahnt.

Die Einschränkung des traditionsreichen Pressefreiheits-Gesetzes von 1881 sorgt bis in die Reihen von Macrons Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung, LREM) für Streit: Wegen der Journalistenproteste kündigte Regierungschef Jean Castex zunächst eine Neufassung des umstrittenen Filmverbots-Artikels durch unabhängige Experten an.

Dies jedoch rief den Vorsitzenden der Nationalversammlung, Richard Ferrand, auf den Plan. Er protestierte scharf gegen eine ausserparlamentarische Korrektur des Gesetzentwurfs, den das französische Unterhaus am Dienstag in erster Lesung gebilligt hatte. Premier Castex zog seinen Vorschlag daraufhin zurück. Das umstrittene Gesetz kommt als nächstes zur Beratung in den Senat.

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