Eine Einigung zwischen Grossbritannien und der EU über Brexit-Sonderregeln für Nordirland ist nach Ansicht einer Expertin zwar in Reichweite. Allerdings sei völlig offen, ob die Abmachung auch in Nordirland selbst akzeptiert werde, sagte Katy Hayward von der Queen's University Belfast der Deutschen Presse-Agentur. «Viel hängt vom Vertrauen in die britische Regierung ab, das wir hier in Nordirland auf sehr, sehr niedrigem Niveau sehen.»
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Der Brexit spaltet Grossbritannien (Symbolbild). - epa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Probleme seien darauf zurückzuführen, dass die britischen Premierminister - vor Amtsinhaber Rishi Sunak etwa dessen Vor-Vorgänger Boris Johnson - mehr auf die Forderungen der Brexit-Hardliner in ihrer Konservativen Partei gehört hätten als auf die Bedürfnisse Nordirlands zu achten, sagte die Expertin.

Vor allem bei Anhängern der Union mit Grossbritannien überwiege der Eindruck, dass Nordirland buchstäblich nur am Rande wichtig sei für London, betonte die Konfliktforscherin mit Blick auf die geografische Lage des Landesteils. «Obwohl es doch um Nordirland geht, basiert das endgültige Urteil auf der Dynamik innerhalb der Konservativen Partei.»

Eine zentrale Rolle spielen auch die grösste protestantisch-unionistische Partei DUP und deren Chef Jeffrey Donaldson. Sie boykottieren die vorgeschriebene Einheitsregierung mit der wichtigsten katholisch-republikanischen Kraft Sinn Fein und fordern ultimativ, die mit der EU getroffenen Brexit-Regeln aufzuheben. Diese sind im sogenannte Nordirland-Protokoll festgehalten, das eine harte Grenze mit dem EU-Mitglied Irland und damit das Wiederaufflammen alter Konflikte in der ehemaligen Bürgerkriegsregion verhindern soll. Allerdings hat es auch Zollkontrollen und Handelshemmnisse zwischen der Provinz und dem Rest des Vereinigten Königreichs zur Folge. Dies ist den Unionisten ein Dorn im Auge.

Zu einer Aufhebung des Protokolls werde es nicht kommen, sagte Hayward. Es gehe vielmehr darum, dass eine Vereinbarung zwischen London und Brüssel es DUP-Chef Donaldson erlaube, diese auch als Sieg seiner Partei zu verkaufen. Deshalb müsse jeder Deal Strukturen für eine direkte Teilhabe Nordirlands beinhalten, sagte die Expertin. Als grösstes Hindernis gilt die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Unionisten wollen nicht, dass das oberste EU-Gericht bei Fragen um die britische Provinz das letzte Wort hat.

Sunak führte am Freitag in Belfast Gespräche mit allen nordirischen Parteien. Es gebe noch keinen Deal, sagte er anschliessend und kündigte weitere Gespräche mit EU-Vertretern am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz an. Dennoch wird damit gerechnet, dass bald eine Vereinbarung zwischen London und Brüssel verkündet wird. Dabei geht es diplomatischen Kreisen zufolge aber um eine neue Interpretation der bestehenden Abmachung und nicht um ein neues Abkommen.

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