Ein FDP-Mann wird mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Ganz Deutschland ist ausser sich – nun tritt er wieder zurück.
Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Demonstranten protestieren vor der Bundesgeschäftsstelle der FDP gegen das Verhalten der FDP bei der Wahl des Fraktions- und Landesvorsitzender der FDP in Thüringen zum Ministerpräsidenten des Bundeslandes Thüringen. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Thüringen schafft ein FDP-Kandidat die Wahl zum Ministerpräsidenten dank AfD-Support.
  • Die Empörung ist gewaltig: Tausende gehen auf die Strasse.
  • Am Donnerstagmittag kündigt Kemmerich seinen Rücktritt an.

Deutschland ist ausser sich! Dank dem Support der rechtspopulistischen AfD schaffte FDP-Politiker Thomas Kemmerich die Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens. Parteien von links bis mitte-rechts sind ausser sich.

Nun der nächste Knall: Die FDP-Fraktion Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte die Fraktion am Donnerstag mit. Der neue FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will demnach sein Amt aufgeben.

Besuch Bundeskanzlerin Merkel Südafrika
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 2.v.l) gestikuliert im Gespräch mit dem Präsidenten von Südafrika neben Steffen Seibert (l), Regierungssprecher, und Lars-Hendrik Röller (3.v.l), Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Bundeskanzleramt. - dpa

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte die Wahl von Kemmerich am Donnerstag als «unverzeihlich». Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, forderte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika. Sie stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen.

FDP-Chef Christian Lindner kündigte derweil an, nach Erfurt zu reisen, um mit Kemmerich zu sprechen. Deutsche Medien munkeln bereits, er wolle Kemmerich zum Rücktritt auffordern. Dies ist ihm offenbar gelungen.

Mehrere Spitzen-Politiker der FDP hatten bereits den Rücktritt gefordert.

Sprachloser FDP-Parteichef

Auch die Bevölkerung Deutschlands: Tausende gehen in verschiedenen Städten auf die Strasse. So etwa in Leipzig, Berlin und Dresden. Sie fordern: «Nazis raus!»

Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Demonstranten halten bei einer Kundgebung in Bayern ein Schild mit der Aufschrift «Wer hat uns verraten? Freie Demokraten» in die Höhe.
Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Demonstranten haben vor dem regionalen Wahlkampfbüro des FDP-Bundestagsabgeordneten Hacker Protestschilder aufgestellt und Notizen an die Scheibe geklebt.
Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Ein Demonstrationszug wird von einem Transparent mit der Aufschrift «Dem rechten Mob entgegentreten» angeführt. Ungefähr 1500 Demonstranten zogen vom Fraktionsbüro der Hamburger AfD zum Büro des Landesverbandes der FDP.
Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Ein Demonstrant stehen mit einem Plakat mit der Aufschrift «#AfDP #NIEWIEDER» vor der FDP-Geschäftsstelle in München.
Ministerpräsidentenwahl Thüringen - Proteste
Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Unter dem Motto «Gegen Das Vergessen» demonstrieren Menschen vor dem Landtag nach der Wahl des FDP-Abgeordneten Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen.
AfD
Demonstranten protestieren vor der Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin.

Die Titelseiten der deutschen Zeitungen sind vom Coup dominiert. Der «Spiegel» etwa schreibt vom «Tabubruch». In einem Interview findet FDP-Parteichef Christian Lindner kaum Worte dafür. «Die FDP verhandelt und kooperiert nicht mit der AfD.»

Den Tabubruch erklären kann er sich nicht wirklich. «Wer umgekehrt unsere Kandidaten in einer geheimen Wahl unterstützt, das liegt nicht in unserer Hand.»

Klare Worte findet hingegen die deutsche «Bild». Sie nennt die Aktion «erbärmlich!»

AfD
Die Boulevard-Zeitung «Bild» findet zum FDP-AfD-Coup klare Worte. - Screenshot «Bild»

FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann redet im Vergleich zum Parteichef harsch über die Aktion. «Nicht regieren ist in der Tat besser als von Björn Höcke gewählt zu werden, einem Faschisten», empört sie sich in der Zeitung.

Ruhiger berichtet etwa die «Süddeutsche Zeitung». Sie spricht von «Der nächste Versuch in Richtung Bürgerlichkeit» und einem Erfolg für den Flügel von Björn Höcke.

Vor einer Gefahr warnt die «Zeit»: «Das ist nicht mehr die Mitte», schreibt sie heute Morgen. Wer Höcke nutze, um Ramelow zu stürzen, sei selbst eine Gefahr.

Hitler-Vergleiche überschwemmen Twitter

Besagter ist ebenfalls ausser sich. Bodo Ramelow, der bisherige thüringische Ministerpräsident (Linke), hat nach der umstrittenen Wahl ein Zitat von Adolf Hitler auf Twitter veröffentlicht.

Unter seinen Tweet stellte Ramelow zwei Fotos: Das obere zeigt einen Händedruck zwischen Hitler und dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Auf dem zweiten ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich beim Händedruck mit Björn Höcke von der AfD zu sehen.

Dieselbe Parallele hatte gestern bereits SP-Nationalrat Cédric Wermuth gezogen.

Neben Hitler-Vergleichen dominiert auf Social Media besonders ein Brief, der von Hunderten geteilt wird.

Es handelt sich um ein angebliches Schreiben von AfD-Mann Björn Höcke an den gewählten FDPler Kemmerich. Darin kündete er schon im November die Unterstützung seiner Partei an.

«Deutschland hat nicht aus der Geschichte gelernt. Ich schäme mich zutiefst für diese Volksvertreter», schreibt Ex-Fussballer Hans Sarpei. Satiriker Jan Böhmermann nennt das Schreiben schlicht «braun auf weiss».

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