Coronavirus: Serbien ist der neue Hotspot Europas
Das Wichtigste in Kürze
- Serbische Ärzte klagen über volle Krankenhäuser und fordern den kompletten Lockdown.
- Gerade mal 42 Prozent der Serben sind komplett geimpft.
Noch vor Kurzem galt Serbien als Musterknabe im Kampf gegen das Coronavirus. Zu Beginn der Pandemie verhängte das Land einen harten Lockdown – von Polizei und Militär durchgesetzt. Und auch in Sachen Impfung startete man mit vollem Elan durch. Man setzte auf Impfstoffe von Astra-Zeneca, Biontech und Impfstoffen aus China und Russland zugleich.
Doch nun ist aus dem Musterknaben ein Corona-Hotspot voller Impfmuffel mutiert. Täglich um die 7000 Neuinfizierte meldete Serbien zuletzt. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist das Balkanland damit Spitzenreiter Europas.
Und auch die Zahl der Todesfälle in Folge einer Infektion mit dem Coronavirus steigt seit Ende August stetig an. Seit dem 24. September meldet das knapp sieben Millionen Einwohner zählende Land täglich über 40 Todesfälle – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Siebentage-Schnitt in der Schweiz lag zuletzt bei rund 5 bis 7 Todesfälle pro Tag.
Strafanzeige gegen Ministerpräsidentin
«Die Spitäler sind voll», klagten kürzlich Mediziner der Ärztevereinigung «Vereinigt gegen Covid». Es gäbe keine Plätze an Beatmungsgeräten mehr, vor Krankenhäusern werde die ganze Nacht auf Aufnahmen gewartet. Und wegen des Mangels an Ärzten müssten selbst Gynäkologen, Psychiater oder Arzthelfer auf Covid-Sonderstationen eingesetzt werden.
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Die Misere veranlasste den Medizinprofessor Slobodan Marinković gar eine Strafanzeige gegen Serbiens Ministerpräsidentin Ana Brnabić einzureichen. Er wirft der Regierungschefin Untätigkeit in der Bekämpfung des Coronavirus vor, wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt.
Coronavirus: Grosse Impfskepsis
Hauptgrund für die aktuelle Misere ist die Impfwilligkeit der serbischen Bevölkerung. Gerade mal 42 Prozent sind vollständig geimpft. Selbst mit Geldprämien oder Einkaufsgutscheinen sind die impfskeptischen Serben nicht für eine Impfung zu motivieren.
Ein Grund dürfte das stetige Misstrauen der Bevölkerung in die Regierung sein. Aber auch der Glaube an angebliche Naturheilrezepte und Wundermittel ist weit verbreitet. Selbst viele Mediziner würden daran glauben, schreibt das Blatt.
Um die Katastrophe abzuwenden, fordert der Ärzteverband nun einen kompletten Lockdown von mindestens vier Wochen.
Doch damit stossen die Fachleute bei der Regierung auf taube Ohren. «Ich glaube nicht an die gleichen Massnahmen, wie wir sie vor den Impfstoffen gehabt haben», meinte Regierungschefin Brnabić kürzlich. Der einzige Ausweg aus der «katastrophalen» Lage seien die Impfungen.
Doch zu einer Impfpflicht konnte sich die Regierung bisher nicht durchringen. Grund dürfte auch Präsident Aleksandar Vučić sein. Der eigentliche mächtige Mann im Land tritt im April zur Wiederwahl an. Unpopuläre Massnahmen stehen für den rechtskonservativen Politiker deshalb derzeit nicht zur Debatte.