Europas Coronavirus-Sündenbock erwacht nach sechs Wochen aus dem Quarantäne-Schlaf: Ischgl will die Sommermonate nutzen, um sich neu zu erfinden.
Coronavirus Ischgl
In der Nacht auf Donnerstag wurde die Quarantäne in Ischgl aufgehoben. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Tiroler Ski-Ort ist nach sechs Wochen Corona-Quarantäne wieder offen.
  • Europas Aprés-Ski-Mekka und Corona-Sündenbock will sich nun im Sommer neu erfinden.
  • Die Rede ist von einem Ischgl 2.0: Vorrang für Skifahrer und «gehobene Après-Ski-Kultur».

Aprés-Ski in Ischgl ist legendär. Die Party im Tiroler Ski-Ort kannte jahrelang kein Ende. Das generierte dem 1800-Einwohner-Ort im Paznauntal in fünf bis sechs Wintermonaten jeweils einen Umsatz von 250 Millionen Euro.

Ischgl war europaweit eine Marke. Und genau diese Bekanntheit ist dem Ort in der Corona-Krise zum Verhängnis geworden. In der Kitzloch-Bar soll sich der halbe Kontinent mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Coronavirus
Das «Kitzloch» in Ischgl. Der Ski-Ort wurde zu einem Hotspot der Corona-Krise. - dpa-infocom GmbH

Ischgl wurde deshalb in den Medien als Hotspot bezeichnet. Es folgte eine strenge Quarantäne, die in der Nacht auf Donnerstag zu Ende ging.

Bei den Einheimischen haben aber nicht nur die vergangenen sechs Wochen ihre Spuren hinterlassen, sondern vor allem auch die Negativ-Schlagzeilen.

Einwohner: Coronavirus nicht unsere Schuld

«Total übertrieben», wird etwa Feda B. in einem Bericht der «Kronen Zeitung» zitiert. Der Koch arbeitet seit zehn Saisons in einem Ischgl-Hotel und sieht keine Schuld bei den Restaurants.

«Wenn, dann hätten die Behörden früher reagieren müssen. Das konnten nicht die Wirte machen.» «Wir haben ohnehin früher als vorgeschrieben reagiert», betont eine einheimische Familie: «Es stört uns, dass man mit dem Finger auf uns zeigt. Es muss wohl ein Schuldiger gefunden werden.»

Coronavirus - Österreich
Eine leere Bar. Die Region Paznauntal mit dem Touristenort Ischgl steht in Österreich neben weiteren Orten wegen einer erhöhten Zahl von Coronavirus-Fällen in der Kritik - dpa

Wie angespannt die Stimmung in der Region ist, zeigen einzelne bedenkliche Vorfälle. Tourismusmanager Andreas Steibl: «Ein Mann mit Ischgl-Jacke wurde in Innsbruck angespuckt. Bei Ärzten bekamen Ischgler keine Termine».

Ein Ischgl 2.0 ist in Planung

Auch Bürgermeister Werner Kurz klagt: «Wir werden in ein Eck gedrängt». Er fügt an: «Ich möchte aber all jenen mein Bedauern ausdrücken, die sich hier in Ischgl infiziert haben.» Kurz wehrte sich bereits Anfang April gegen die Vorwürfe gegen seine Gemeinde.

Man habe nach «bestem Wissen und Gewissen» gehandelt, sagte er in einem ORF-Interview. Und weiter: «Das Virus ist nicht von uns ausgegangen und wurde nicht in Ischgl produziert.»

Ischgl Werner Kurz Coronavirus
Ischgl-Bürgermeister Werner Kurz sprach im ORF-Interview über das Coronavirus und die Ausbreitung in seiner Gemeinde. - Screenshot ORF

So oder so: Die grossen Party-Nächte in Ischgl sind wegen des Coronavirus vorerst vorbei. Die Entscheidungsträger müssen umdenken. Die Rede ist von einem Ischgl 2.0: Mit weniger Partytourismus und Vorrang für Skifahrer.

Gemeinsam mit allen Betreibern werde auch überlegt, wie eine «gehobene Après-Ski-Kultur» aussehen könne, berichtete jüngst die «Tiroler Zeitung».

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