Amazon AWS wird künftig nicht nur zusätzlich Hardware an die Kunden verkaufen, sondern auch Software aus den eigenen Rechenzentren.
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Logo der Amazon-Tochter AWS. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Amazon-Chef Jeff Bezos zählt auf die Cloudtochter AWS.
  • Künftig will das Unternehmen deshalb auch ohne Cloud wachsen.
  • Neu soll nebst zusätzlicher Hardware auch Software verkauft werden.

Die Cloudtochter AWS ist eine unersetzliche Goldgrube für Amazon-Chef Jeff Bezos. Damit das so bleibt, zieht AWS-Chef Andy Jassy alle Register und wirft sogar einst eherne Grundsätze über den Haufen.

Statt reiner Online-Dienste wird in Zukunft nicht nur zusätzlich Hardware an die Kunden verkauft, sondern auch Software. Diese können sie in ihren eigenen Rechenzentren betreiben. Damit haben sie dann die gleiche Software bei sich im Unternehmen, die sie in der Cloud hätten mieten können.

Der Markt fordert allerdings derzeit etwas anderes. AWS-Chef Andy Jassy präsentierte am Dienstag (Ortszeit) zwei wichtige Offline-Dienste: «ECS Anywhere» und «EKS Anywhere». Dies im Rahmen der Eröffnungsrede zur Hausmesse re:invent, die dieses Jahr erstmals ausschliesslich online stattfindet.

AWS-Server mit neuen Anwendungen

Die AWS-Server («Outpost», Aussenposten, genannt) mit einer Art Kopie der AWS-Cloud an Bord werden schon seit 2019 bei Kunden aufgestellt. Mit den neuen Diensten lassen sich nun Anwendungen für Cloud und Rechenzentrum gleichzeitig verwalten und betreiben.

«AWS wird immer mehr zu einem klassischen IT-Anbieter wie IBM, Oracle oder HP-Enterprise.» So fasst Analyst Holger Müller von Constellation die Entwicklung zusammen. , IBM, Google und Microsoft Recht hatten, als sie ihre Entwicklungen frühzeitig auf eine neue «Multicloud» und «Hybridcloud»-Welt ausgerichtet haben. Dies räumt AWS-Chef Jassy ein.

Hier verteilt ein Kunde seine gesamte IT auf die Dienste vieler Cloudanbieter, statt nur einen zu beauftragen. Jassy war diesen Weg nur zögerlich gegangen. AWS wollte seine Kunden gerne allein haben.

Da aber vor allem IBM mit dem Konzept erfolgreich war, musste AWS handeln. Die Corona-Pandemie hat die Abwanderung von Unternehmen und Institutionen weltweit in die Cloud beschleunigt. Zugleich aber auch in die Multi- und Hybridcloud-Welt. Auch wenn jeder IT-Vorstand gerne den kompletten Umstieg in die Cloud vollziehen würde, es ist oft einfach nicht finanzierbar.

«Cloud on Premise»

Teilweise sprechen auch gesetzliche Anforderungen gegen eine Cloud. In manchen Ländern müssen Daten, etwa personenbezogene Daten, im Land gehalten werden. Und weder AWS noch die Konkurrenz haben überall eigene lokale Datencenter stehen.

Hier heisst es Kompromisse schliessen und Teile der Aufgaben weiter in vorhandenen Rechenzentren zu betreiben. Vorzugsweise langsamere Aufgaben wie etwa eine Lohnabrechnung einmal im Monat.

Da werden keine hyperschnellen Cloud-Computer gebraucht. Aber die gesamte Software, oft im Unternehmen massgeschneidert programmiert, soll natürlich aus «einem Guss» sein. Damit werden Installationen und Wartungen billiger und effizienter. Das ermöglicht die Kooperation von AWS mit der «Cloud on Premise», der Cloud im eigenen Keller.

In diesen Markt will Jassy jetzt mit Macht vorstossen. Auch wenn AWS mit 45 Prozent Marktanteil mit Abstand Cloud-Weltmarktführer ist. Die Wachstumsraten von zuletzt 29 Prozent auf 11,6 Milliarden Dollar im dritten Quartal waren eher ernüchternd. Das war, trotz Corona-Boom, das geringste Wachstum seit 2015.

Bezos zählt auf die Gewinne von AWS

Die Verfolger können aufholen, Microsoft, die Nummer zwei, wuchs im selben Quartal um 45 Prozent, wenn auch auf geringerer Basis. Amazon-Chef Jeff Bezos zählt auf die Gewinne von AWS. Jassy liefert über 50 Prozent des operativen Ergebnisses des Amazon-Konzerns. Er finanziert die ehrgeizigen Wachstumspläne seines Chefs.

Neue Umsatzimpulse sollen zusätzliche Angebote für das «Maschinenlernen» geben, das nicht nur schneller, sondern auch deutlich billiger werden soll. Jassy will vor allem die Kosten für die eigentlichen Schlussfolgerungen aus den gelernten Daten preisgünstiger machen. Das sei bislang vernachlässigt worden.

Das eigentliche Lernen aus grossen Datenmengen an sich gehe heute schon kostengünstig. Allerdings müssen immer wieder teuer die Schlussfolgerungen überprüft werden. AWS lebt von einer permanenten Auslastung seiner Cloud-Rechenzentren. Aber die Kunden dürfen dabei nicht finanziell überfordert werden.

Amazon AWS: Cloud soll «sehen» und «fühlen» lernen

Die AWS-Cloud soll zudem «sehen» und «fühlen» lernen. Computervision hält in Fabrikationshallen etwa zur Qualitätsprüfung Einzug. Sensoren werden die Geräusche und Vibrationen einer Maschine mit den bestehenden Vorgaben einer perfekt eingestellten Maschine vergleichen.

Wenn es ungewöhnlich rumpelt oder komisch vibriert, schlägt der Cloud- und On-Premise-Dienst «Monitron» Alarm, bevor grössere Schäden entstehen können. Daneben «Contact-Center», komplette Call-Center in der Cloud, die per künstlicher Intelligenz selbstständig lernen, während sie mit dem Kunden reden. Wer Kameras oder Sensoren schon besitzt, muss für «Monitron» keine von Amazon kaufen. Bestehende Hardware soll, so weit wie möglich, unterstützt werden.

«AWS will deutlich erkennbar in Zukunft auch ohne die Cloud im Softwarebereich wachsen», so Analyst Müller. Das hätte einen angenehmen Nebeneffekt der Kundenbindung: Der eigentliche «nackte» Cloudservice, Speicher und Rechenleistung ist im Internet, austauschbar. Ein Wechsel zur Konkurrenz wird immer aufwendiger, je mehr Zusatzdienste eines Anbieters eingebaut werden. Die sind nicht so einfach durch Modelle der Konkurrenz ersetzbar.

Daneben wurden zum Auftakt der Messe zahlreiche neue Möglichkeiten zur Datenspeicherung, Datenbanknutzung oder, Sprach-, Video- oder Datenanalyse vorgestellt. Die re:invent soll jetzt sogar drei Wochen statt nur einer dauern. Neben tausenden Trainingseinheiten für Programmierer wird es noch weitere Keynotes geben.

Der faszinierende Blick in die Zukunft des Milliarden Dollar schweren Cloud-Computing ist für die Teilnehmer am Bildschirm sogar kostenfrei.

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