30 Jahre nach dem Völkermord an den Tutsi im Jahr 1994 ist Ruanda ein beliebtes Ziel für Investoren. Doch die dunkle Vergangenheit hinterlässt Spuren.
völkermord ruanda
Aufbewahrung von Bildern im Genocide Archiv of Rwanda (GAR). - GAR

30 Jahre nach dem Völkermord an den Tutsi ist das kleine ostafrikanische Land Ruanda mit seinen tausend Hügeln und der Hauptstadt Kigali wieder beliebt bei Investoren: Saubere Strassen, wenig Kriminalität und Korruption – das ist nicht selbstverständlich in afrikanischen Grossstädten.

Das kleine Binnenland wird von der Weltbank an zweiter Stelle der afrikanischen Länder südlich der Sahara gelistet, in denen am besten Geschäfte gemacht werden können. Wenn es um Menschenrechte, Pressefreiheit oder Oppositionspolitiker geht, offenbart das Land aber seine dunkle Seite.

Völkermord an den Tutsi 1994

Das grausamste und blutigste Kapitel der Geschichte des kleinen Staates liegt mittlerweile drei Jahrzehnte zurück: Am 7. April wird im ganzen Land an den Genozid 1994 erinnert. Konkreter Anlass war der bis heute ungeklärte Abschuss des Flugzeugs des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana am 6. April 1994. Bereits kurz darauf rief die Hutu-Regierung im Rundfunk dazu auf, sämtliche Tutsi zu töten.

Warnzeichen hatte es jedoch bereits viel früher gegeben. Hassparolen heizten seit Monaten die Stimmung gegen die Tutsi-Minderheit an. Schon im Januar 1994 hatte der kanadische Kommandant der UN-Friedensmission in Ruanda die New Yorker UN-Zentrale vor einem möglichen Genozid in Ruanda gewarnt. Ohne ein entsprechendes Mandat des Weltsicherheitsrates war es ihm jedoch nicht erlaubt, gegen Waffenlager von Hutu-Milizen vorzugehen.

Innerhalb von nur 100 Tagen ermordeten Hutu-Milizen mindestens 800'000 Angehörige der Tutsi sowie gemässigte Hutu. Die Opfer wurden mit Macheten zerstückelt oder bei lebendigem Leib verbrannt. Es war der traurige Höhepunkt ethnischer Spannungen und Konkurrenzkämpfe, die auf kolonialen Ursprüngen beruhten.

Der Völkermord in Ruanda gilt heute auch als Versagen der internationalen Gemeinschaft, die spät und zunächst zögerlich reagierte. Dass das Morden ein Ende hatte, ist auch dem Mann zu verdanken, der heute an der Spitze des Staates stand: Paul Kagame, der Führer Ruandischen Patriotischen Front (RPF), marschierte aus dem ugandischen Exil mit seinen Truppen in Ruanda ein und nahm den Kampf mit Regierungstruppen und Hutu-Milizen auf. Je weiter sie vorrückten, desto deutlicher offenbarte sich das ganze Ausmass des Völkermords.

Ruanda: Oppositionelle werden verfolgt

Heute sitzt der einstige Rebellenführer Kagame als starker Mann Ruandas nicht nur fest im Sattel, er regiert sein Land autoritär. Bei der Parlaments- und Präsidentenwahl im Juli strebt der 66-Jährige eine vierte Wiederwahl als Staatspräsident an. Niemand zweifelt an dem Ergebnis – nicht zuletzt, weil politische Opposition es schwer hat in Ruanda und eine führende Oppositionspolitikerin nicht zur Wahl antreten darf.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Kagame wegen der Verfolgung kritischer Politiker, Journalisten und anderer Gegner. «Wer es wagt, die Regierungspolitik oder Präsident Paul Kagame zu kritisieren, geht ein hohes Risiko ein – und selbst wer ins Ausland flieht, um Verfolgung zu entgehen, ist dort nicht sicher», betonte Lewis Mudge von der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch im Januar bei der Vorstellung eines Berichts über Angriffe auf Oppositionelle im Ausland.

Das Gesetz gegen eine Leugnung des Genozids, vergleichbar mit Strafbarkeit der Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen in Deutschland, wird auch angewandt, um Regierungskritiker zum Verstummen zu bringen. «Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen der vergangenen Jahre entsprachen nicht den internationalen demokratischen Standards», heisst es auch auf der Webseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) über Ruanda.

Vorzeigeland Afrikas?

In Kritik ist die Regierung in Kigali auch wegen ihrer Rolle im Konflikt im Ostkongo. Die Demokratische Republik Kongo, aber auch internationale Experten werfen Ruanda vor, im Nachbarland die Miliz M23 zu unterstützen, die grosse Teile der Provinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda kontrolliert.

Dennoch gilt Ruanda in mancher Hinsicht als Vorzeigeland, wird gerne als «Schweiz Afrikas» bezeichnet. Zum einen wegen des buchstäblich sauberen Image, Kagames erfolgreichen Vorgehens gegen Vermüllung und Korruption, die hier kein Thema mehr sind.

Aber auch wenn es um Frauenförderung geht, steht Ruanda nicht nur im afrikanischen Vergleich gut da: In keinem anderen Parlament weltweit ist der Frauenanteil so hoch – derzeit beträgt er 61 Prozent. Allerdings: Wie in den meisten afrikanischen Staaten spielt auch in Ruanda das Parlament keine herausragende Rolle bei der Gestaltung des Staates.

Bis 2035 möchte Ruanda der eigenen Zukunftsstrategie zufolge zu einem Land mit mittlerem Einkommen aufsteigen – und bis 2050 sogar ein hohes Einkommensniveau erreichen. Es sind ehrgeizige Ziele des Landes, das sich endgültig aus dem Schatten des Völkermords befreien will, doch ohne ihn zu vergessen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

FrauenförderungMenschenrechtePressefreiheitPaul KagameOppositionKorruptionParlamentRegierungWeltbankGesetz