Am Dienstag erschütterte eine schwere Explosionen die libanesische Hauptstadt Beirut. Dabei starben mindestens 135 Menschen, mehr als 5000 seien verletzt.
Beirut
Das Ausmass der Zerstörung in Beirut ist riesig. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine heftige Explosionen erschütterte am Dienstag die libanesische Hauptstadt Beirut.
  • Dabei starben gemäss dem libanesischen Roten Kreuz mindestens 135 Menschen.
  • Offenbar wurde ein hochexplosives Material über Jahre falsch gelagert.

Die Bilder aus Beirut sind schrecklich. Zuerst zitterte die Erde, darauf folgte eine Explosion mit einer massiven Druckwelle. Ein beängstigendes Szenario.

Neue Drohnen-Aufnahmen zeigen das Ausmass der Zerstörung am Morgen nach der Explosion.

Grosse Teile der Stadt liegen in Schutt und Asche, der Hafen ist komplett zerstört. Auch das im Hafen liegende Kreuzfahrtschiff «Orient Queen» ist durch die Druckwelle gesunken. Zwei Besatzungsmitglieder seien ums Leben gekommen, sieben weitere verletzt worden, teilte die libanesische Kreuzfahrtgesellschaft Abou Merhi Cruises mit.

Regierungschef Hassan Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Präsident Michel Aoun berief eine Dringlichkeitssitzung des Nationalen Verteidigungsrats ein, um die Ursachen der Explosion zu klären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Dabei handele es sich um Personen, die seit 2014 ür die Lagerung und Bewachung von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat zuständig gewesen seien. Sie wurden unter Hausarrest gestellt. Diese Massnahme soll dabei helfen, die Verantwortlichen hinter dem Unglück zu eruieren.

Berichten zufolge hätten Zöllner die Behörden mehrmals gewarnt, dass die Chemikalien eine grosse Gefahr darstellen. Die Hafenverantwortlichen weigerten sich jedoch, Massnahmen zu ergreifen. Offenbar hat auch Beiruts Gouverneur Marwan Abboud in einem Bericht von 2014 bereits vor einer möglichen Explosion gewarnt.

Herrenloses Ammoniumnitrat liegt seit 2015 im Hafen herum

Gemäss Recherchen des «Spiegels» soll das Ammoniumnitrat schon seit 2015 in einer kaum gesicherten Anlage lagern. Berichten zufolge hatten libanesische Behörden im Jahr 2013 einem Frachtschiff aus Georgien die Weiterfahrt wegen verschiedener Mängel verweigert. Es war mit der «schwimmenden Bombe» nach Mosambik unterwegs.

Beirut
Der Moment der Explosion am Hafen von Beirut. - Twitter (@LebaneseProblem)

Der Besatzung gingen Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff dann auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schliesslich die Ausreise genehmigt, aber die hochexplosive Ladung blieb im Hafen von Beirut liegen. Zwischen 2014 und 2017 soll es mehrere Anträge gegeben haben, die Fracht aus dem Hafen wegzuschaffen. Passiert ist aber nichts.

Ausnahmezustand in Beirut ausgerufen

Die libanesische Regierung hat am Mittwoch einen zweiwöchigen Ausnahmezustand für die Hauptstadt ausgerufen. Wie Informationsminister Manal Abdel Samad am Mittwoch ankündigte, wurde die Verantwortung für die Sicherheit in der Stadt mit sofortiger Wirkung der Armee übertragen.

Er bittet ausserdem um schnelle Hilfe durch die internationale Gemeinschaft: Dringend notwendig sei Hilfe für Krankenhäuser, betroffene Familien sowie zum Wiederaufbau zerstörter Gebäude.

Beirut
Unter den Explosions-Opfern von Beirut sind auch mehrere Ausländer. - Keystone

Die Unterstützung werde nicht zuletzt benötigt, weil das Land unter einer beispiellosen Wirtschaftskrise leide. Bereits zuvor hatten mehrere Länder Hilfe zugesagt.

Bis zu 300.000 Bewohner der libanesischen Hauptstadt seien durch die Zerstörungen obdachlos geworden, sagte Gouverneur Marwan Abud am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Die Höhe der Schäden schätzte er auf insgesamt drei bis fünf Milliarden Dollar. «Fast die Hälfte von Beirut ist zerstört oder beschädigt.»

Opferzahlen steigen auf mindestens 135 – 5000 Personen verletzt

Die Opferzahlen der Explosion stiegen am späten Dienstagabend im Stundentakt. Am frühen Abend sprach Gesundheitsminister Hassan Hamad von mindestens 50 Toten und weiteren 2700 Verletzten.

Später berichteten libanesische Medien von mindestens 73 Todesopfern, dann sprach Hamad von 78 Todesopfern. Das Gesundheitsministerium vermeldete am Mittwochabend 135 Tote, verletzt seien mindestens 5000.

Gemäss der Nachrichtenagentur Reuters sagte Hamad, dass zahlreiche Personen vermisst würden. «Angehörige fragen nach ihren Liebsten, aber die Suche gestaltet sich als schwierig – in der Nacht und ohne Strom». Man bereite sich auf eine «Katastrophe» vor, so Hamad.

Augenzeugen sprachen von Leichen auf den Strassen und Menschen, die unter Trümmern verborgen seien. Die Armee half, Verletzte in Krankenhäuser zu bringen. Die Spitäler waren stark überlastet. Bürger wurden aufgerufen, Blut zu spenden. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Ursache unklar: Anschlag oder Explosion von Ammoniumnitrat

Die Explosion ereignete sich in Hafennähe in einer Lagerhalle. Die Nachrichtenagentur NNA berichtete, dort sei ein Feuer ausgebrochen. Anderen Berichten zufolge ereignete sich die Explosion in einem Lager für Feuerwerkskörper. Einige Augenzeugen sprechen allerdings von einer «Missile», einer Rakete.

US-Präsident Donald Trump geht offenbar von einem Anschlag aus, wie er am Dienstagabend (Ortszeit) im Weissen Haus sagte. «Meine Generäle gehen angesichts der Art der Explosion davon aus, dass es sich um eine Art Bombe gehandelt haben müsse», so Trump.

Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es zunächst aber nicht. Die Behörden im Libanon widersprachen zudem der Darstellung von Donald Trump.

Am späten Abend sagte der Chef für innere Sicherheit, Abbas Ibrahim: «Wir können keinen Ermittlungen zuvorkommen. Am Ort der Explosion war aber hochexplosives Material gelagert gewesen.»

Libanon Beirut Explosion
Bei der Explosion im Hafen von Beirut vom vergangenen Dienstag kamen mindestens 171 Menschen ums Leben.
Beirut Explosion
Helfer tragen nach einer schweren Explosion in Beirut ein Opfer, während im Hintergrund Rauch aufsteigt.
Explosion Beirut
Die Behörden gehen davon aus, dass eine grosse Menge falsch gelagertes hochexplosives Material zur Katastrophe führte.
Explosion Beirut
Die Explosion war so riesig, dass sie als ein Erdbeben der Stärke 3,3 registriert wurde.
Explosion Beirut
Die Behörden gehen bei der Explosion in Beirut nicht von einem Anschlag oder einem politischen Hintergrund aus.
Schwere Explosion in Beirut
Ein verwundeter Mann wartet auf dem Parkplatz des Al Roum-Krankenhauses auf eine Behandlung nach der Explosion in Beirut. Neben vielen Toten wurden Tausende Menschen verletzt.
Libanon Explosion
Augenzeugen sprachen von Leichen auf den Strassen und Menschen, die unter Trümmern verborgen seien.

Gemäss Berichten geht es um eine grosse Menge Ammoniumnitrat, die im Hafen explodiert sei. Die Zersetzung des Stoffs, der auch zur Herstellung von Sprengsätzen dienen kann, führt bei höheren Temperaturen zu Detonationen.

Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Düngemittelherstellung. Berichten zufolge hatten libanesische Behörden im Jahr 2013 mehr als 2700 Tonnen des Stoffs an Bord eines Schiffs sichergestellt.

Sommaruga spricht Libanon ihr Mitgefühl aus

SRF-Korrespondent Pascal Weber weilt in Beirut. Er retweetete am Dienstagabend ein Video auf Twitter und schrieb: «Zuerst zitterte die Erde, dann die grosse Explosion. Wer, wie, was, wo immer noch unklar. Wir sind safe, aber geschockt.»

Kurz nach der Explosion fielen Telefon und Internet in der Stadt aus. Offenbar wurde die Druckwelle sogar im 250 Kilometer weit entfernten Zypern verspürt. In Beirut selbst wurde die Explosion als Erdbeben mit einer Stärke von 3.3 auf der Richterskala registriert.

Zu den unzähligen Verletzten gehört auch die Schweizer Botschafterin in Beirut, Monika Schmutz. Sie wurde in einem Spital gepflegt und konnte am Mittwoch bereits wieder ihre Arbeit aufnehmen. Angesichts der Umstände sei sie bei guter Gesundheit, teilte das Aussendepartement EDA am Mittwoch mit.

Botschafterin Beirut
Monika Schmutz, die Schweizer Botschafterin in Beirut, wurde bei der heftigen Explosion vom Dienstag leicht verletzt. - dpa, Youtube

Abgesehen von einem leicht verletzten lokalen Mitarbeiter seien das Botschaftspersonal und dessen Familien unverletzt geblieben. Einige Angestellte seien jedoch unter Schock. Die Botschaft und die Residenz der Botschafterin Monika Schmutz wurden durch die Explosion stark beschädigt.

Die Schweizer Botschaft in Beirut ist durch die gewaltige Detonation am Dienstag stark beschädigt worden.
Die Schweizer Botschaft in Beirut ist durch die gewaltige Detonation am Dienstag stark beschädigt worden. - sda - Aussendepartement EDA

Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Beirut sind unter den Verletzten. Beschädigt wurde auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon. Mehrere Blauhelm-Marinesoldaten seien verletzt worden, einige von ihnen schwer teilte die Mission mit.

Beirut Explosion Schweiz
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sprach den Angehörigen der Opfer in Beirut ihr Mitleid aus. - Twitter

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sprach der libanesischen Bevölkerung auf Twitter ihr Mitgefühl aus.

Aussenminister Ignazo Cassis hat ebenfalls sein Beileid ausgesprochen und Hilfe angeboten. «Ich bin zutiefst betrübt über die Folgen der schweren Explosion in Beirut (...) Die Schweiz ist bereit, der Bevölkerung zu helfen», schreibt Cassis auf Twitter.

Explosion Beirut
Der Schweizer Aussenminister bietet dem Libanon auf Twitter die Hilfe der Schweiz an. - Twitter

Auch Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten dem Libanon Unterstützung in Aussicht. Seine Gedanken seien beim libanesischen Volk und den Familien der Opfer, teilte EU-Ratspräsident Charles Michel mit.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sicherte die «uneingeschränkte Solidarität und ihre volle Unterstützung» der Europäischen Union zu.

Charles Michel Libanon Beirut
EU-Ratspräsident Charles Michel sicherte dem Libanon Unterstützung zu. - Twitter

Mehrere Länder schickten Unterstützung. Über den EU-Krisenmechanismus machte sich unter anderem aus den Niederlanden ein Team aus 70 Spezialisten auf den Weg. Frankreich schickte zwei Militärflugzeuge mit 55 Angehörigen des Zivilschutzes und tonnenweise Material zur Behandlung von Verletzten.

Tschechien schickte ein Team, das auf die Bergung von Verschütteten spezialisiert ist. Auch Griechenland und Zypern schickten Rettungsmannschaften mit Spürhunden. Russland schickte fünf Flugzeuge mit Ärzten und einem mobilen Krankenhaus.

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