Hätte der Bondi-Beach-Terror verhindert werden können?
Der Terror-Anschlag am Bondi Beach erschüttert Australien. Nun rückt die Regierung in den Fokus – und wird wegen übersehener Warnsignale kritisiert.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Terror-Vorfall am berühmten australischen Bondi Beach erschüttert die Menschen.
- Die Albanese-Regierung sieht sich derweil mit heftiger Kritik konfrontiert.
- Grund dafür sind die zögerlichen Reaktionen auf die zunehmenden antisemitischen Vorfälle.
Australien steht seit Sonntagabend unter Schock. Nach der Terror-Attacke eines Vaters (†50) und seinem Sohn (24) am berühmten australischen Bondi Beach trauern die Familien der Opfer. 16 Menschen sind bei der Tragödie ums Leben gekommen.
Die Jagd auf Juden erfolgte am ersten Tag des jüdischen Lichterfests «Chanukka».
Nach der Attacke steht Australien nicht nur unter Schock, sondern auch vor einer unbequemen Frage: War die Tat tatsächlich ein unvorhersehbarer Ausbruch zweier Personen? Oder vielmehr Ausdruck eines Problems, das sich seit Monaten abzeichnet?
Anstieg antisemitischer Vorfälle
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel erlebt Australien einen markanten Anstieg antisemitischer Vorfälle.
Jüdische Einrichtungen werden bedroht, Hass-Parolen tauchen im öffentlichen Raum auf. Auch die Warnungen von Gemeinden und Sicherheitsdiensten häufen sich.
Australien hat inzwischen eine Sonderbeauftragte für Antisemitismus, Jillian Segal. Sie erklärt gegenüber dem Sender «ABC»: Die Zahl der antisemitischen Vorfälle habe innerhalb eines Jahres nach dem Hamas-Terrorangriff im Oktober 2023 um 300 Prozent zugenommen.
Dennoch bleibt die politische Reaktion zögerlich.
Netanjahu übt scharfe Kritik
Australien sei nicht entschlossen genug gegen Antisemitismus vorgegangen, so Segal. Auf einen umfangreichen Plan, den die Australierin im Juli der Regierung vorlegte, erfolgte keine Reaktion.
Der Plan sah unter anderem vor, die Berichterstattung der Medien zu beobachten. Auch die Finanzierung für Universitäten, die sich nicht gegen Judenfeindlichkeit einsetzten, sollte gestrichen werden.
Auch Israels Ministerpräsident übte scharfe Kritik an der Albanese-Regierung. Noch am Sonntagabend warnte Benjamin Netanjahu, Australien bereits vor vier Monaten gewarnt zu haben. Er nannte die Förderung und Ermutigung von Antisemitismus durch die Politik der australischen Regierung.
«Öl ins antisemitische Feuer»
Netanjahu warf Albenese gegenwärtig vor, «Öl ins antisemitische Feuer» gegossen zu haben. Albenese selbst ging bisher nicht auf die Kritik ein. Vielmehr sprach er von einem «Moment der nationalen Einheit», als er nach dem Vorfall vor die Medien trat.
Die Regierung habe «starke Massnahmen» gegen Antisemitismus ergriffen, so der Premierminister. Und man werde auch weiterhin dagegen vorgehen.
In welcher Form dies stattfinden wird, führte er nicht näher aus. Gemäss Oppositionsführerin Sussan Ley sei es der Regierung «eindeutig nicht gelungen», die Sicherheit der jüdischen Australier zu gewährleisten.
Antisemitismus werde nur als ein zu bewältigendes Problem betrachtet. «Nicht als ein Übel, das ausgerottet werden muss», kritisierte Ley am Montag vor den Medien.
«Ab heute muss sich alles ändern, was die Reaktion der Regierungen angeht.»
Experte: Australien hat «extremste Erscheinungsformen toleriert»
Lorenzo Vidino, Programmdirektor für Extremismus an der George-Washington-Universität, betont gegenüber Nau.ch, wie gross die islamistische Szene in Australien ist.
Es sei fair zu sagen, «dass die australische Regierung bis zu einem gewissen Grad einige der extremsten Erscheinungsformen toleriert hat».
Gleichzeitig sei klar, dass die Tolerierung antisemitischer Rhetorik und kleinerer Gewalttaten zu einer Eskalation führe.
Israel macht Australien verantwortlich
Der Experte warnt jedoch vor vorschnellen Schlüssen. Die Aussagen von Teilen der israelischen Regierung seien übertrieben.
«Ich denke, es hat offensichtlich damit zu tun, dass die australische Regierung Palästina als Staat anerkannt hat», konkretisiert Vidino.

Er sieht darin den Versuch der israelischen Regierung, die Verantwortung für den Angriff auf Australien zu verlagern.
Denn solche Vorfälle seien «Dynamiken, die überall passieren, selbst in Ländern, die stärker darin waren, diese Dynamiken einzudämmen».
Experte: Antisemitismus soll eigene Extremisten-Kategorie werden
Der Terror-Experte Hans-Jakob Schindler betont, dass es im Kampf gegen Judenhass zwei konkrete Reformen brauche.
Erstens: «Zunächst einmal muss Antisemitismus als eigene extremistische Kategorie definiert werden», sagt er zu Nau.ch. Damit wird laut Schindler klar, dass eine ernsthafte Bedrohung der inneren Sicherheit vorliege und nicht nur ein kurzfristiges Einzelereignis.
Staatliches Handeln scheine weiterhin primär auf die Verfolgung einzelner antisemitischer Vorfälle konzentriert zu sein. Nicht nur in Australien, sondern auch in Europa und Nordamerika.

«Dies ist natürlich wichtig und richtig», sagt Schindler. Dabei werde jedoch verkannt, dass der jüngste Anstieg der Vorfälle «nicht ohne organisierende Elemente» erklärbar sei.
Daher sollten die Behörden organisierten, transnational vernetzten antisemitischen Netzwerken mehr Aufmerksamkeit schenken. «Nur wenn diese Netzwerke besser erkannt werden, kann eine effektive Bekämpfung erfolgen», sagt Schindler.
Social-Media-Plattformen entziehen sich Verantwortung
Zweitens: Die sozialen Medien müssten, so der Experte, mehr in die Verantwortung genommen werden. «Gerade beim Thema Antisemitismus haben diese in den letzten beiden Jahren fast komplett versagt», sagt Schindler.
Für die antisemitischen Narrative sei die Verbreitung über die sozialen Medien «von fundamentaler Bedeutung».
Schindler stellt klar: Es sei «nicht mehr hinnehmbar», dass sich die Plattformen ihrer Verantwortung entzögen und der Verbreitung nicht proaktiv entgegenwirkten.
«Kolossales Versagen der Regierung»
Auch Alex Ryvchin vom Exekutivrat der australischen Juden übt beim Sender «Sky News» Kritik. Er wisse, dass die Regierung diese Art von Hass verabscheue. Dennoch sprach er von einem «kolossalen Versagen der Regierung».
Früh stellte sich heraus, dass einer der Täter, der Sohn, den Behörden bekannt war. Er war wegen seiner Verbindungen zu «anderen Personen» überwacht worden, aber letztlich als ungefährlich eingestuft. ABC berichtet, er habe enge Verbindungen zum IS.
Genaueres soll nun ermittelt werden.





















