Gaza-Streifen

Gaza-Streifen: Kinderpsychologin berichtet über Leid der Kinder

Simon Binz
Simon Binz

Palestina,

Seit zwei Jahren wächst in Gaza eine Generation im Krieg auf – mit seelischen Wunden, die nach Einschätzung einer Kinderpsychologin kaum zu erfassen sind.

Gaza Gazastreifen
Die deutschsprachige Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk aus Norwegen war in den letzten zwei Jahren zweimal im Gaza im Einsatz und berichtet von alarmierenden Zuständen. - Screenshot/Spiegel

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine norwegische Kinderpsychologin berichtet vom Kinder-Leid im Gazastreifen.
  • Viele würden demnach extreme Angstreaktionen zeigen – darunter auch Selbstverletzungen.
  • Die Waffenruhe und stabile Alltagsstrukturen seien jetzt enorm wichtig, so die Expertin.

Seit zwei Jahren wächst in Gaza eine ganze Generation im Krieg auf – mit Folgen, die nach Einschätzung von Katrin Glatz Brubakk kaum zu ermessen sind. Die deutschsprachige Kinderpsychologin aus Norwegen hat in den vergangen zwei Jahren zweimal für «Ärzte ohne Grenzen» im Gazastreifen gearbeitet, um Kinder psychologisch zu betreuen.

In einem Interview mit «Spiegel» berichtet die Expertin von extremen Ängsten und tiefen seelischen Verletzungen. Sie habe Kinder getroffen, die Dinge erleben mussten, die selbst erfahrene Krisenhelfer kaum verarbeiten können, so Glatz Brubakk.

Braucht es eine Zweistaaten-Lösung im Gaza-Konflikt?

«Alle diese Kinder, die jetzt in Gaza zwei Jahre lang gelebt haben, sie haben alle erlebt, dass jemand, den sie entweder in der Familie hatten oder Freunde, gestorben ist», sagt die Expertin. «Sie haben alle den Gestank gerochen von Blut, das über die ganze Strasse gespritzt worden ist.»

Die Psychologin lebte während ihrer Einsätze in Al-Mawasi, der humanitären Zone westlich von Chan Yunis, direkt an der Küste. Eigentlich ein Zufluchtsort – doch selbst dort waren Einschläge von Bomben oft in Hör- und Sichtweite.

«Ich kann diese Schreie immer noch hören»

Für Glatz Brubakk gehören die Monate in Gaza zu den belastendsten ihrer Laufbahn. Besonders die Angst der Kinder werde sie nie vergessen. «Was ich nie vergessen werde, sind diese extremen Angstschreie, die sehr, sehr viele gehabt haben», sagt sie.

«Ich bin seit zehn Jahren in Kriegs- und Krisengebieten tätig, ich habe vieles gehört und vieles gesehen, aber diese Schreie drängen durch meinen professionellen Schutz direkt durch.»

Bei ihren Einsätzen begegnete sie Kindern, die panisch schrien oder sich die «vor lauter Unruhe» die Haare ausreisen. Andere sind verstummt, spielen kaum mehr und ziehen sich vollständig zurück.

Manche Kinder hätten sogar Körperteile zusammensammeln müssen, erzählt sie. Die Wucht der Bombardierungen habe oft keine ganzen Körper mehr übriggelassen.

Seifenblasen als erster Schritt zurück ins Vertrauen

Trotz der extremen Umstände versucht die Psychologin, Wege zu finden, wie Kinder wieder Zugang zu einem Gefühl von Sicherheit bekommen können. Manchmal hilft ein kleiner Moment der Leichtigkeit. Etwa Seifenblasen, die für Augenblicke Aufmerksamkeit und Staunen zurückbringen.

«Das hilft, das Eis zu brechen», sagt sie. Doch die strukturellen Bedingungen bleiben schwierig. Rund eine Million Kinder leben nach Schätzungen von Hilfsorganisationen derzeit im Gazastreifen. Viele Schulen wurden zerstört, der Unterricht findet oft improvisiert statt.

Für Glatz Brubakk ist klar: «Was die Kinder am meisten brauchen, ist natürlich, dass die Waffenruhe anhält.» Ebenso wichtig sei ein Alltag mit Rhythmus, Voraussicht und Normalität – Schule, Spiele, Routinen. «Dass sie die Aufmerksamkeit auf andere Dinge haben können als die konstante Angst, die sie zwei Jahre gehabt haben.»

«Will zurück – weil das Leiden so extrem gross ist»

Doch trotz der Waffenruhe bleibt die humanitäre Lage angespannt. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Medikamenten. Die Psychologin will schnellstmöglich zurückkehren, um weiterzuhelfen.

Gaza Kinder
Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk lebte während ihrer Einsätze in Al-Mawasi, der humanitären Zone westlich von Chan Yunis, direkt an der Küste. Eigentlich ein Zufluchtsort – doch selbst dort waren Einschläge von Bomben oft in Hör- und Sichtweite. - Screenshot/Spiegel

«Es ist wirklich nicht leicht, in diesen beiden Welten, friedliches Norwegen und Gaza, gleichzeitig zu leben», sagt sie. «Deswegen möchte ich auch gern hin, weiterzuhelfen. Nicht weil es Palästina ist oder weil es Gaza ist, sondern weil das Leiden so extrem gross ist.»

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