Gewalt

An der Tagesordnung: Entführungen in Nigeria sorgen für Entsetzen

Keystone-SDA
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Nigeria,

Die jüngste Entführung von über 300 Kindern aus einer Schule in Nigeria wirft ein Schlaglicht auf ein massives Problem in dem westafrikanischen Land.

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Zuletzt wurden Hunderte Kinder aus einer Schule in Nigeria verschleppt. - keystone

In Nigeria hat eine besonders schwere Welle an Massenentführungen im Nordwesten des Landes Entsetzen ausgelöst. Bewaffnete verschleppten am Freitag 303 Kinder und 12 Lehrer aus einer katholischen Grund- und Sekundarschule im Bundesstaat Niger, wie die Christliche Vereinigung von Nigeria mitteilte.

Am Montag zuvor wurden 25 Mädchen aus einer staatlichen Schule im Bundesstaat Kebbi entführt. Kurz danach brachten Angreifer auf eine Kirche im Bundesstaat Kwara 38 Gläubige in ihre Gewalt.

Mehrere Menschen wurden bei den Angriffen erschossen. Unter den Entführten sollen sich viele kleine Kinder befinden. Medien des westafrikanischen Staats zitierten Eltern, die von Sechsjährigen sprachen.

Papst appelliert an Entführer

Auch unter den aus der Kirche Entführten sollen Kinder unter zehn Jahren sein. Um die Jüngsten besteht besonders grosse Sorge: Entführte werden unter harten Bedingungen festgehalten und kommen oft noch während laufender Verhandlungen oder Sucheinsätzen ums Leben.

Papst Leo XIV. äusserte am Sonntag vor dem traditionellen Angelus-Gebet auf dem Petersplatz in Rom seine Trauer. «Ich empfinde grossen Schmerz, insbesondere für die vielen entführten Jungen und Mädchen und ihre verzweifelten Familien», sagte er.

«Ich richte einen betrübten Appell an alle Beteiligten, die Geiseln unverzüglich freizulassen, und fordere die zuständigen Behörden auf, angemessene und zeitnahe Entscheidungen zu treffen, um ihre Freilassung zu gewährleisten.»

Tausende Schülerinnen und Schüler verschleppt

Im Norden und Zentrum des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas mit mehr als 220 Millionen Einwohnern entführen sowohl kriminelle Banden als auch islamistische Terrorgruppen immer wieder Menschen.

Im April 2014 erhielt die Entführung von 276 Schülerinnen durch die islamistische Miliz Boko Haram in Chibok im nordöstlichen Bundesstaat Borno weltweite Aufmerksamkeit. 82 der Mädchen werden bis heute vermisst.

Die nigerianische Zeitung «Vanguard» errechnete auf Basis von UN-Zahlen und eigenen Recherchen, dass in den elf Jahren nach Chibok mindestens rund weitere 2'500 Schülerinnen und Schüler entführt wurden – zuzüglich mutmasslich einer Dunkelziffer unbekannter Fälle.

«Banditen» geht es oft ums Geld

Für die jüngsten Entführungen hat bislang keine Gruppe öffentlich Verantwortung übernommen. In der betroffenen Region sind allerdings vor allem bewaffnete kriminelle Gruppen, örtlich «Banditen» genannt, besonders aktiv.

Anders als die islamistischen Gruppen verfolgen diese mit den Entführungen keine politischen Ziele, sondern wollen Geld erpressen. Angehörige der aus der Kirche Entführten haben nach eigenen Angaben Lösegeldforderungen in Höhe von 100 Millionen Naira (etwa 60'000 Euro) erhalten, wie nigerianische Medien berichteten.

Lösegelder in Millionenhöhe

Die Entführungen sind ein furchtbarer Alltag in Nigeria geworden. Nach Angaben der Sicherheitsberatungsfirma SBM Intel wurden allein zwischen Juni 2024 und Juni 2025 mindestens 4'722 Menschen in 997 Vorfällen entführt. Mindestens 762 Menschen seien in dem Zusammenhang getötet worden.

Kidnapper hätten in der Zeit Lösegelder von umgerechnet mindestens 1,6 Millionen Euro eingestrichen – und noch weit mehr gefordert. Lösegeldzahlungen sind seit 2022 in Nigeria verboten. Praktisch verscherbeln Familien jedoch alles, was sie haben, um Angehörige wieder freizukaufen.

Ein Land in der Krise

Da die Landeswährung Naira stark abgestürzt ist, verlangen die Entführer immer höhere Summen. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Aussichtslosigkeit treiben zugleich immer mehr junge Männer dazu, sich den Banden anzuschliessen.

Das Militär ist schlecht bezahlt und auch schlecht ausgerüstet, obwohl Nigeria als eine der grössten Volkswirtschaften des Kontinents eine der grössten Armeen besitzt. Krisen und Korruption haben die Staatsgewalt tief ausgehöhlt.

Die Einsätze der Sicherheitskräfte zur Suche nach den Entführten blieben nach offiziellen Angaben bislang ergebnislos. Im benachbarten Bundesstaat Zamfara rettete die Polizei am Samstag allerdings 25 Frauen und Kinder – wenige Stunden, nachdem sie aus einem Dorf verschleppt worden waren.

Behörden schliessen Schulen

Behörden mehrerer Bundesstaaten im Norden des Landes haben die Schliessung aller Schulen oder Räumung von Internaten angeordnet. Die nigerianische Regierung liess ausserdem alle staatlichen Schulen in besonders gefährdeten Regionen schliessen. Präsident Bola Tinubu verzichtete auf eine Teilnahme am G20-Gipfel, um sich der Sicherheitslage zu widmen.

US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich mit einem Militäreinsatz gedroht, falls Nigeria sich nicht für den Schutz der Christen einsetze. Konflikte und Gewalt verlaufen in dem Land, dessen Einwohner etwa zur Hälfte je Christen und Muslime sind, tatsächlich immer mehr entlang religiöser Trennlinien – diese werden von Experten aber meist nicht als Ursache angesehen. Christliche Gemeinden werfen dem Staat dennoch mangelnden Schutz vor.

Die US-Nichtregierungsorganisation International Christian Concern, die die Verfolgung von Christen weltweit dokumentiert, bezeichnete Nigeria 2022 als das «gefährlichste Land der Welt für Christen». Zugleich werden Muslime ebenfalls Opfer von Terror- oder Banditenangriffen ebenso wie von Racheakten.

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