Videokonferenzen bremsen die Kreativität

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USA,

Was früher unvorstellbar schien, ist längst Normalität: das Arbeiten ganzer Belegschaften im Homeoffice. Videokonferenzen ersetzen dabei den persönlichen Kontakt. Das Brainstormen dürfte darunter leiden.

Videokonferenzen sind in Pandemie-Zeiten eine praktische Sache - die Kreativität fördern sie aber nicht.
Videokonferenzen sind in Pandemie-Zeiten eine praktische Sache - die Kreativität fördern sie aber nicht. - Annette Riedl/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Videokonferenzen mögen gerade in Pandemie-Zeitenpraktisch sein, förderlich für die Kreativität sind sie anscheinendnicht.

Einer aktuellen Studie zufolge kommen virtuell vernetztenMenschen weniger kreative Ideen als solchen, die in einem Raumzusammen sitzen.

Vermutlich liegt das daran, dass der Bildschirm dasSichtfeld begrenzt und damit auch geistige Prozesse einengt, die fürkreatives Denken hilfreich sind, wie ein Wissenschaftler und eineWissenschaftlerin im Fachmagazin «Nature» schreiben.

Im Zuge der Corona-Pandemie seien Millionen von Angestellten insHomeoffice gewechselt und zur virtuellen Zusammenarbeit gezwungengewesen, schreiben Melanie Brucks von der Columbia University undJoathan Levav von der Stanford University. Der beispiellose Wechselzur Vollzeit-Fernarbeit habe gezeigt, dass Arbeit grundsätzlich auchgrossflächig im virtuellen Raum funktionieren könne.

Lange Zeit sei die Zusammenarbeit in Projekten auf physische Näheangewiesen gewesen, weil Kommunikationstechnologien wie Telefon oderEmail den Informationsaustausch bisher beschränkt hätten. BeiVideokonferenzen stünden hingegen fast ebenso viele audiovisuelleInformationen zur Verfügung wie bei persönlichen Treffen, erläuterndie Forschenden. Das werfe die Frage auf, ob die neue Technologieauch bei der Entwicklung neuer Ideen die persönliche Zusammenarbeitersetzen könne.

Genau das prüften die Wissenschaftler mit einer Reihe vonExperimenten. Zunächst baten sie jeweils Zweierteams von insgesamtmehr als 600 Versuchsteilnehmern, kreative neue Verwendungsideen fürein Produkt zu entwickeln, genauer gesagt für eine Frisbee. DieHälfte der Paare sass dabei gemeinsam in einem Raum, bei der anderenHälfte sass jeder Partner allein in einem Raum und das Team war perVideokonferenz zusammengeschaltet.

Weniger kreative Ideen bei virtuellen Treffen

Es zeigte sich, dass virtuelle Paare deutlich weniger kreative Ideenentwickelten. Wenn es darum ging, zu entscheiden, welche Idee weiterverfolgt werden sollte, schnitten sie allerdings nicht schlechter abals Paare, die persönlich miteinander arbeiteten.

Um zu prüfen, ob tatsächlich eine Verengung der visuellen Wahrnehmungfür die Kreativitätsbremse verantwortlich ist, dekorierten dieForscher die Versuchsräume mit verschiedenen Gegenständen, zum Teilerwartbaren wie Ordnern, zum Teil für Büroräume ungewöhnliche, wieein Poster mit einem Skelett. Die Forscher verfolgten dann die Blickeder Probanden, während sie ihre Ideen sprudeln liessen, und fragtensie am Ende des Experiments, was sie im Raum wahrgenommen hatten.

Das Ergebnis: Die Videopartner sahen sich deutlich länger direkt anund erinnerten sich an weniger Gegenstände im Raum als die persönlichinteragierenden Paare. Je mehr die Blicke der Probanden durch denRaum geschweift waren und an je mehr Gegenstände sie sich erinnerten,desto mehr kreative Ideen hatten sie auch entwickelt, berichten dieForschenden weiter.

Eingeengter kognitiver Fokus

Sie sehen das Ergebnis als Bestätigung für die Hypothese, dass eineingeengtes Sichtfeld und damit ein eingeengter kognitiver Fokusverhindern, dass Gedanken umherschweifen und dabei Assoziationenaufkommen, die schliesslich kreative Ideen entstehen lassen.

Anschliessend prüften - und bestätigten - die Wissenschaftler ihreErgebnisse noch unter realistischeren Bedingungen an fast 1500Angestellten einer Firma in fünf Ländern in Europa, Asien und demMittleren Osten.

Zuletzt untersuchten sie, ob auch andere Erklärungsmöglichkeiten fürdie beobachteten Kreativitätsunterschiede infrage kommen. Sieschlossen zum Beispiel aus, dass persönliche Paare zwar mehr, aberdafür nur sehr ähnliche Ideen entwickelt hatten. Über Befragungenermittelten sie, dass virtuelle Paare sich genauso verbunden undvertraut fühlten wie persönlich miteinander arbeitende Paare - auchdas könne den Unterschied also nicht erklären. Untersuchungen von(Körper-)Sprache und Mimik ergaben schliesslich ebenfalls keineHinweise darauf, dass die Videokonferenzen per se die Kommunikationund Interaktion der Teilnehmer entscheidend verändert hatten.

Was ist für Unternehmen besser?

Einen praktischen Tipp haben die Wissenschaftler als Fazit ihrerStudie für Arbeitgeber parat: Wenn, wie erwartet, mit dem Ende derPandemie viele Arbeitnehmer einen Teil ihrer Zeit im Homeoffice undeinen Teil im Büro arbeiten werden, sollten Arbeiten, bei denen es umdie Entwicklung kreativer Ideen geht, bestenfalls in persönlicherRunde stattfinden.

Für Unternehmen sei die Frage, ob persönliche oder virtuelle Treffenbesser sind, auch eine finanzielle Entscheidung, schreibenEmöke-Ágnes Horvát und Brian Uzzi in einem Kommentar zu der Studie.Wenn virtuelle Teams weniger Ideen erbrächten, diese aber zu einemgeringeren Preis, könne der Verzicht auf persönliche Treffen für einUnternehmen womöglich die produktivere Entscheidung sein. Insgesamtliefere die Studie einen spannenden Ausgangspunkt für weitereUntersuchungen zum Einfluss der Arbeitstechnologien auf diemenschliche Kreativität.

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