Pille wird immer unbeliebter – Ärzte preisen sie weiter an
Die Pille wird als Verhütungsmittel immer unbeliebter. Dennoch preisen sie viele Gynäkologinnen und Gynäkologen nach wie vor als bestes Verhütungsmittel an.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Beliebtheit der Antibabypille nimmt in der Schweiz immer mehr ab.
- Gründe dafür sind die Nebenwirkungen – und ein bewussterer Umgang mit dem eigenen Körper.
- Doch: Für viele Gynäkologen ist die Pille nach wie vor Verhütungsmittel Nummer eins.
Als die Antibabypille in den 1960er-Jahren auf den Markt kam, galt sie als Meilenstein in der Selbstbestimmung. Und als wichtig für die Gleichberechtigung der Frau.
Mit ihr konnte eine zuverlässige Empfängnisverhütung garantiert werden. Frauen konnten ihre Familienplanung so selber steuern, ohne ihre Sexualität zu vernachlässigen.
In den 1990er-Jahren nahmen denn auch mehr als 50 Prozent der Frauen in der Schweiz die Pille.
Schwere Nebenwirkungen
Doch seit einiger Zeit gerät die Pille als Verhütungsmittel Nummer eins immer stärker unter Druck.
Der Grund sind teils mühsame Nebenwirkungen. Dazu gehören für viele Frauen Libidoverlust, wiederkehrende Vaginalinfektionen und Blasenentzündungen oder depressive Zustände, erklärt Sexualpädagogin Bea Loosli gegenüber Nau.ch.
Aber auch Schmerzen beim Sex oder Gewichtszunahme würden dazugehören, so Loosli.
Mittlerweile sind es laut einer SRF-Reportage nur noch 16 Prozent der Schweizer Frauen, die auf die Antibabypille als Verhütungsmittel setzen.
Gynäkologen schlagen als Erstes die Pille vor
Dennoch scheint sie für viele Gynäkologinnen und Gynäkologen das Verhütungsmittel der Wahl zu sein. Das berichten mehrere Frauen gegenüber Nau.ch.

Ihnen werde als Erstes immer die Pille vorgeschlagen, wenn sie nach einem Verhütungsmittel fragen würden, bestätigen alle ohne zu zögern.
Das hat einen Einfluss auf die Frauen, die sich beraten lassen, so Loosli. Denn: «Nicht jede Frau hat den gleichen Wissensstand und die gleichen Voraussetzungen – und das muss berücksichtigt werden.»
Hormonelle Verhütung wird als ausweglos dargestellt
Damit spricht die Sexualpädagogin aus Erfahrung, denn: Sie bietet mit ihrem Unternehmen «Ladyplanet» Workshops für Frauen und Männer an, welche eine Alternative zur hormonellen Verhütung suchen.
Ein Problem sei, dass Gynäkologen und Gynäkologinnen hormonelle Verhütung in vielen Fällen als ausweglos darstellen würden.
Das bestätigt gegenüber Nau.ch auch Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation.
Sie habe bereits von Frauen gehört, die sich von ihren Gynäkologinnen und Gynäkologen zu wenig aufgeklärt fühlten.
Ärztinnen und Ärzte kennen die Pille als «verlässliches Verhütungsmittel»
Als Grund für die einseitige Beratung durch die Ärztinnen und Ärzte nennt Gedamke die medizinische Ausbildung und Gewohnheit.
Denn: «Viele Gynäkologinnen und Gynäkologen wollen auf Nummer sicher gehen und keine Abbrüche riskieren.»
Deshalb würden sie am liebsten die Pille verschreiben, welche bei korrekter Einnahme in der Tat ein sehr sicheres Verhütungsmittel sei. Doch: «Die Frage ist immer – zu welchem Preis der Gesundheit der Frau.»
Ein Phänomen, das auch Bea Loosli kennt. Sie sagt: «Früher erhielten Medizinstudentinnen hormonelle Verhütungsmittel oft kostenlos.»
Ein scheinbar praktisches Angebot, das jedoch Folgen hatte, denn: «Die persönliche Erfahrung mit hormonfreier Verhütung fehlte den angehenden Fachfrauen schlichtweg. Und spiegelt sich bis heute in vielen medizinischen Empfehlungen wider.»
Pille ist «nicht erste Wahl»
Dem kann Thomas Eggimann, Generalsekretär der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, nicht zustimmen: «Ich selbst erwähne immer fünf Methoden gleichwertig.»
Diese würden von Zykluskontrolle über definitive Lösungen, Barrieremethoden, mechanische Methoden bis zu Hormonen gehen, so Eggimann.

«Dabei ist die Pille nicht erste Wahl», so der Gynäkologe weiter. Zudem glaube er nicht, dass unausgewogen über die verschiedenen Verhütungsmittel informiert werde.
«One fits for all gilt bei der Verhütung nicht»
Denn alle Methoden hätten Vor- und Nachteile. «Diese alle erwähne ich und demonstriere sie mit Modellen.»
Der Grund dafür, so Eggimann: «One fits for all gilt bei der Verhütung definitiv nicht.»
Und auch Bea Loosli bemerkt: «Immer mehr Gynäkologinnen leben inzwischen selbst im Einklang mit ihrem Zyklus und setzen auf natürliche Verhütung.»
Das mache Hoffnung, denn: «Wegen sieben hoch fruchtbaren Tagen pro Monat muss eine Frau nicht täglich Medikamente nehmen und sich und ihren Zyklus unterdrücken.»