Mit einer Autobombe wird in Mali eine Patrouille deutscher UN-Soldaten attackiert. Es ist einer der folgenschwersten Angriffe auf die Bundeswehr in dem westafrikanischen Krisenstaat.
Ein Soldat der Bundeswehr 2018 mit einem Sturmgewehr vom Typ G36 am Flughafen nahe des Stützpunktes in Gao im Norden Malis. Foto: Michael Kappeler/dpa
Ein Soldat der Bundeswehr 2018 mit einem Sturmgewehr vom Typ G36 am Flughafen nahe des Stützpunktes in Gao im Norden Malis. Foto: Michael Kappeler/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Selbstmordattentäter hat im westafrikanischen Mali eine Patrouille deutscher UN-Soldaten angegriffen und dabei 13 Menschen verletzt.

Der Angreifer zündete um 6.28 Ortszeit eine Autobombe gegen die noch stehenden Fahrzeuge und ihre Besatzungen, wie das Einsatzführungskommando den Obleuten im Bundestag mitteilte. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, von 12 verwundeten Deutschen seien drei schwer verletzt, einer davon wurde noch operiert. Die Bundeswehr bereitete medizinische Evakuierungsflüge («MedEvac») vor. Nach den offiziellen Angaben ist auch ein UN-Soldat aus einem weiteren Land verletzt.

Wagen voll mit Sprengstoff

Nach Angaben einer Sprecherin der UN-Mission vor Ort war der Attacke mit einem Pritschenwagen voll Sprengstoff ein anderer Anschlag vorausgegangen. «Die Soldaten sicherten den Konvoi eines malischen Bataillons», sagte Minusma-Sprecherin Myriam Dessables der Deutschen Presse-Agentur am Abend. Vorangegangen sei am Vortag die Explosion eines Sprengsatzes, bei der es aber nur Sachschaden an einem Fahrzeug gegeben habe.

«Der Anschlag heute macht auf eine sehr dramatische und schreckliche Art und Weise deutlich, dass der Eid, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr schwören, dass sie dieses Land verteidigen, dass sie in den Einsatz gehen, und dass sie zur Not auch bereit sind, ihre Gesundheit und ihr Leben einzusetzen, nicht nur leere Worte sind», sagte die CDU-Politikerin in Bonn. Aus der Opposition wurde schon die Forderung nach einem Ende des Einsatzes laut.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äusserte sich «erschüttert». «In Gedanken bin ich auch bei ihren Angehörigen und Familien», so Steinmeier. Aussenminister Heiko Maas verurteilte die Tat. «Der heutige hinterhältige Anschlag unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns den Terroristen entgegenstellen. Mali und der Sahel müssen vom Fluch des Terrorismus befreit werden», so Maas.

Der Selbstmordanschlag wurde rund 180 Kilometer nordöstlich der Stadt Gao, in deren Nähe die meisten Bundeswehrsoldaten in Mali stationiert sind, verübt. Zum Zeitpunkt des Angriffs um 8.28 deutscher Zeit befanden sich die Soldaten noch in einer «Nachtaufstellung», also einer Art schützenden Wagenburg, wie aus einer Information des Einsatzführungskommandos an die Obleute hervorging. «Unter Einsatz ziviler Rettungshubschrauber und eines UN-Hubschraubers wurden die Verwundeten nach Gao in französische, chinesische und deutsche Sanitätseinrichtungen verbracht», hiess es weiter.

In Mali viele islamistische Terrorgruppen

Derzeit sind rund deutsche 900 Soldaten an der UN-Mission Minusma beteiligt. Die Obergrenze liegt bei 1100 Männern und Frauen aus Deutschland. Der Grossteil der Bundeswehrsoldaten ist im Camp Castor am Rande von Gao stationiert. Der Einsatz soll den Friedensprozess in Mali unterstützen. In dem Land sind islamistische Terrorgruppen aktiv. 2013 schlug ein massiver französischer Militäreinsatz ihren Vormarsch auf die Hauptstadt Bamako zurück. Auch organisierte Kriminalität und grenzübergreifender Schmuggel sind ein Problem in der Region, über die Migrationsrouten nach Nordafrika und weiter Richtung Europa laufen.

Zuletzt gab es in Mali zwei Militärputsche. Putschistenführer Assimi Goïta war nach früheren Berichten einmal zu einer militärischen Fortbildung in Deutschland. Niemand konnte da in die Zukunft schauen, aber: Es zeigt sich, wie schwer die Suche nach verlässlichen Partnern in dem Land ist.

Im Raum stand zuletzt gar die Frage, ob sich Mali nach dem jüngsten Putsch gar in Richtung radikaler Islamismus bewegt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte eine grundsätzliche Neuausrichtung der französischen Militärpräsenz in der Sahelzone an - und eine Ende des französischen Anti-Terror-Einsatzes «Operation Barkhane». Bilaterale militärische Einsätze mit Mali wurden ausgesetzt, um den Druck auf den Krisenstaat und die Putschisten zu erhöhen. Frankreich - das islamistische Terroristen in der Sahelzone aktiv sucht und angreift - hat immer wieder getötete eigene Soldaten zu beklagen.

Angriff bei Sonnenaufgang

Auch die EU-Ausbildungsmission EUTM in Mali war schon Ziel von Angriffen. Wie im Februar 2019: Um 3 Uhr morgens bebte die Erde. Türen wurden aus der Verankerung gerissen, Fenster zerbarsten, Alarm wurde ausgelöst, wie es damals hiess. Zwei mutmasslich islamistische Selbstmordattentäter waren mit jeweils mehreren hundert Kilogramm Sprengstoff auf den Ladeflächen ihrer Pickup-Trucks auf das Haupttor «Papa 2» zugerast. Einem gelang es, sich in die Luft zu sprengen - nur gut 300 Meter vom deutschen Teil des Camps entfernt. Einige der 150 im Feldlager stationierten Bundeswehrsoldaten bezogen Stellung, um das Camp zu verteidigen. Doch die spanischen und malischen Wachsoldaten hatten die Situation schnell im Griff.

Dass Chaos in der Sahelregion bis nach Europa zu spüren sein wird, betonen Politiker immer wieder. Die Frage, was in welcher Zeit dort erreicht werden kann, lässt aber viele grübeln. Die Einsätze in Mali, die oft über Wochen und Monate kaum öffentliches Interesse finden, sind nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan nun sicherlich das gefährlichste Aktionsfeld.

Rückzug der Bundeswehr gefordert

Im Bundestag zeigte man sich bestürzt. «Der Anschlag zeigt, welcher Gefahr die Bundeswehr in ihren Einsätzen tagtäglich ausgesetzt ist und welche Verantwortung das Parlament bei der Mandatierung trägt», sagte FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte den nächsten Bundestag dazu auf, die Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich zu überdenken.

Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, sagte zu dem Einsatz, wer Soldaten in Auslandseinsätze schicke, müsse das sehr gut begründen. «Für die AfD-Bundestagsfraktion gelten folgende Prüfkriterien: ausserordentliches nationales Interesse, klare Strategie, völkerrechtliches Mandat. Die ersten beiden Punkte sind in Mali nicht erfüllt. Die Bundesregierung muss den Einsatz beenden.»

Dem widersprach Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet: Die Bundeswehr sei «aus sehr gutem Grund» in Mali. Sie solle für Sicherheit im Kampf gegen den Terrorismus in einer der ärmsten Regionen der Erde sorgen. Der Einsatz «ist wichtig, weil er Frieden sichert».

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, verlangte nach dem Anschlag mehr Schutz für die Einsatzkräfte. «Dieser Anschlag zeigt, wie brandgefährlich der Einsatz in Mali ist», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zwar sei es für weitere Analysen noch zu früh, doch bleibe schon jetzt festzuhalten: «Eine nicht verhandelbare Voraussetzung für die Fortsetzung des Einsatzes ist die Gewährleistung der Rettungskette», sagte Wüstner. «Und grundsätzlich möchte ich daran erinnern, wie notwendig der Schutz unserer Truppen auch durch bewaffnete Drohnen ist.»

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