Lawinenforscher Fabiano Monti erklärt, was man beachten muss, damit man bei Freeriden und auf Skitouren nicht in Lawinengefahr gerät.
Lawinenforscher Fabiano Monti
Forscher Fabiano Monti wird auch Lawinenflüsterer genannt. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Skifahren im freien Gelände ist während Corona noch populärer geworden.
  • Dabei würden auch immer mehr Lawinen ausgelöst, sagt «Lawinenflüsterer» Fabiano Monti.
  • Der Lawinenforscher erklärt, wie man sich verhalten muss, um nicht in Gefahr zu geraten.

Ereignisse wie jüngst, als in Österreich 100 Lawinen abgingen, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen, sind zwar die Ausnahme, dennoch ist die Gefahr allgegenwärtig.

Jedes Jahr kommt es auch in der Schweiz zu tödlichen Unfällen durch Lawinen oder Schneebretter, wobei nicht selten menschliches Fehlverhalten eine Ursache ist. Insbesondere wenn Fahrlässigkeit im Spiel ist und die Warnungen der Experten ignoriert werden.

In den vergangenen 20 Jahren hat das Skifahren einen Boom erlebt und während der Pandemie gab es nochmals einen Schub.

Viele Freizeitsportler haben sich entsprechende Touren- oder Freeride-Ausrüstungen gekauft, um sich abseits von Menschenmassen in der Natur zu bewegen.

Lawinenforscher Fabiano Monti
Fabiano Monti schärfte in Davos sein Wissen über Lawinen. - zVg

«Während Corona hat sich der psychologische Faktor noch verstärkt. Es ist eine höhere Bereitschaft Risiken einzugehen, festzustellen», sagt auch der in Davos ausgebildete Lawinenforscher Fabiano Monti.

«Die Skitouren- und Freeride-Saison hat sich im Laufe der Jahre zudem erheblich verlängert – man bewegt sich somit oft unter gefährlicheren Bedingungen und in komplexerem Terrain als früher als Tourengeher hauptsächlich im Frühjahr unterwegs waren und nicht wie heute auch im Januar oder Februar».

Grösste Gefahr bei Stufe 3

Generell habe sich aber auch das Gefahrenbewusstsein verbessert. Die Wintersportler investieren mehr Zeit und Geld in ihre Ausbildung, kaufen und benutzen Sicherheits-Ausrüstung.

Es gibt auch viel mehr Informationen, so dass es möglich ist, die Umgebung besser zu verstehen und die Gefahrensituation, in der man sich befindet, besser einzuschätzen, so der Experte.

Lawinenforscher Monti Livigno
Fabiano Monti und sein Team analysieren den Schnee, um die Lawinengefahr beurteilen zu können. - zVg

Dennoch, die Grundregel lautet nach wie vor: Bevor abseits der Piste gefahren wird, ist das Einholen des Lawinenlageberichts Pflicht.

Es gibt fünf Lawinenwarnstufen, wobei gerade in der mittleren Stufe 3 die meisten Unfälle passieren. Ab einer Hangneigung von 30 Grad kann es kritisch werden.

Ebenfalls nicht unwichtig: Bei weniger Schnee gibt es tendenziell mehr Lawinen, weil die Schneeverhältnisse instabil sind. Fabiano Monti:

«Bei grossen Schneemengen ist es vielleicht kurz nach dem Schneefall für einige Tage gefährlicher, danach aber nicht mehr.»

Schwimmbewegungen und Kauerposition

Die grösste Gefahr geht übrigens von Schneebrettern aus. Das sind sozusagen unter Spannung stehende «Fallen» aus schwach gebundenem und windgepresstem Schnee, die bei der geringsten Belastung plötzlich abgleiten können.

Schon ein sehr kleines Schneebrett kann lebensgefährlich sein, wenn man sich unterhalb davon befindet oder wenn man es selbst ausgelöst hat und mit dem Kopf nach unten mitgerissen wird.

Airbags sind aus letzterem Grund nicht unumstritten, weil sie aufgeblasen den Kopf nach unten bewegen. Lawinenpieps, Schaufel und Sonde gehören aber unbedingt mit auf jede Tour.

Lawine
Können tödlich enden: Lawinen. - Unsplash

Gerät man in eine Lawine, so sollte man versuchen mit Schwimmbewegungen an der Oberfläche zu bleiben. Skistöcke sind ohne Schlaufe zu benutzen, weil sie sonst wie ein Anker wirken können.

Wird die Lawine langsamer, sollte man eine Kauerposition – Arme vor dem Kopf – einnehmen. Damit schafft man eine Atemhöhle, falls man zur Gänze verschüttet wird.

Wichtige Ratschläge vom Experten

Bevor es auf eine Tour geht, empfiehlt Fabiano Monti, der mit seinem Freeride-Project im grenznahen Livigno Touren mit minimalem Risiko ermöglicht, sich folgende drei Fragen zu stellen.

Wie sind die Schnee- und Wetterbedingungen? In welches Gelände will ich gehen? Mit wem und in welchem Zustand ist man unterwegs?

«Die Sicherheit verändert sich, wenn sich einer dieser Faktoren ändert. Dann muss die Lage neu abgeschätzt werden».

Er rät dazu, flexibel zu bleiben und die Pläne, wenn nötig, zu ändern. «Statt einer fixen Idee sollte man immer mehrere Möglichkeiten im Kopf haben, um das zu tun, was in der aktuellen Situation das Beste ist.»

Wer alleine unterwegs ist, geht natürlich ein besonderes Risiko ein. Eine Tourengruppe sollte aber auch nicht zu gross sein. Ideal seien vier bis fünf Personen, so Monti. «Am wichtigsten ist es, sich darauf zu konzentrieren, gar nicht erst in eine Lawine hineinzugeraten.

Zumindest sollte man das Gefahrenpotential und die potentiellen Konsequenzen eines Lawinenabgangs regelmässig neu beurteilen.»

Es mache einen ziemlichen Unterschied, ob ein heikler Hang an einem Cliff endet oder in sanftes, offenes Gelände übergeht. Die letztendliche Entscheidung, ob man den Hang fährt, kann in diesen beiden Fällen unterschiedlich ausfallen.

Und Achtung: Oft passiert es nicht beim Ersten, der in das Gelände einfährt etwas, sondern beim Zweiten – oder an der Seite der Gruppe.

Lawinenforscher Fabiano Monti
Fabiano Monti (hinten) liefert zahlreichen Skigebieten Analysen zur Lawinensituation. - zVg

Und er rät, nicht nur auf gutes Equipment zu achten, sondern auch das persönliche Wissen zu erweitern und dazu zu lernen – nicht nur durch Erfahrung, sondern von Profis.

Oder auch im Internet, zum Beispiel auf der whiterisk.ch. Dort gibt es vielfältige Informationen zu Schnee, Sicherheit, Rettung und Tourenplanung.

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