Vom Museum am Fluss bis zum spektakulären Havenhuis: Mit dem Eilandje holt Antwerpen seinen alten Hafen in die Stadt. Einst verrufen, ist es nun hip und trendy.
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Wandel hingelegt: Das ehemalige Hafenviertel hat sich zum hippen Areal für Antwerpener und Touristen entwickelt. - Sigrid Spinnox/Visit Antwerpen/dpa-tmn
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Das Wichtigste in Kürze

  • Het Eilandje, übersetzt das Inselchen, liegt im Norden der belgischen Stadt Antwerpen.
  • Früher ein verrufenes Hafenviertel, ist es heute einer der angesagtesten Hotspots Europas.
  • Attraktiv für Touristen sind neben belgischem Bier auch zahlreiche Restaurants und Museen.
  • Ein echtes Muss für den interessierten Besucher: das Stadtarchiv im alten Speicherhaus.

Das Antwerpener Viertel um den alten Hafen herum war lange verrufen.

Mit seinen leerstehenden Lagerhallen, Speicherhäusern, Docks und Prostituierten ging es zwar fast bruchlos in die historische Touristen-Altstadt mit ihrer weltberühmten Liebfrauenkathedrale über.

Doch selbst Einwohner wollten kaum hierher. Das hat sich längst geändert.

Grafik Antwerpen Fluss Hafenviertel
Vom Museum am Fluss bis zum spektakulären Havenhuis: Mit dem Eilandje holt Antwerpen seinen alten Hafen in die Stadt. Einst war das Viertel verrufen, nun ist es hip und trendy. - dpa-tmn

Innerhalb von weniger als zehn Jahren hat sich die alte Hafengegend vom Schmuddelviertel zum «the place to be» gemausert.

Die britische Zeitung «The Independent» kürte das Eilandje schon 2018 in einem Artikel zu einem der zehn angesagtesten Viertel Europas.

Museum am Anfang der Metamorphose

Het Eilandje, das Inselchen, liegt im Norden der Stadt. Lagerhallen und Speicherhäuser wurden umfunktioniert zu kulturellen Hotspots, kreativen Pop-ups, coolen Clubs, Restaurants und Lofts.

Als Initialzündung für die Metamorphose des alten Hafenviertels gilt das Museum aan de Stroom (MAS), das Museum am Fluss.

Bars Sonnenschirme Promenade Restaurant
Bars, Cafés und Restaurants: Das sind einige der Möglichkeiten, sich dem Eilandje kulinarisch zu nähern. - Sabine Glaubitz/dpa-tmn

Über 60 Meter hoch ragt das Museum seit 2011 spiralförmig und rotbraun aus dem Bonapartedok. Es beherbergt die historischen, ethnischen und maritimen Sammlungen der Stadt.

Rund zehn Jahre später steht der auffällige Bau als Wahrzeichen für das Eilandje – und ein grossangelegtes städtisches Entwicklungsszenario.

Dieses definiert der Bürgermeister Bart De Wever so: «Wir versuchen, eine Stadt, die mit dem Rücken zum Wasser lebte, in eine Stadt zu verwandeln, die mit dem Gesicht zum Wasser lebt».

Dazu gehört neben der Neugestaltung der Uferpromenade entlang der Schelde die Sanierung des alten Hafens.

Bauklötze MAS Museum Architektur
Wie gestapelte, riesige Bauklötzchen: Das Museum aan de Stroom (MAS) präsentiert sich mit moderner Architektur. - Filip Dujardin//Neutelings Riedijk Architecten/Visit Antwerpen/dpa-tmn

Das Eilandje ist so gross wie 242 Fussballfelder. Von den über 170 Hektar sind gut ein Drittel Wasserflächen in den Docks. Die ältesten sind das Bonapartedok und Willemdok, Überreste einer Zeit, in der die Stadt unter französischer Herrschaft war.

Dort, wo Napoleon eine Militärbasis schaffen wollte, will De Wever Erholungsmöglichkeiten: In naher Zukunft soll man dort schwimmen oder Kajak fahren können.

Das MAS ist nicht zu übersehen. Das liegt nicht nur an seiner Höhe. Jede Etage des Turm-Museums gleicht einer Containerbox, die sich hier an den Kais noch vor wenigen Jahren stapelten.

Und jede Etage ist jeweils um 90 Grad gedreht. Wellenartige Glas-Galerien bieten überraschende und wechselnde Ausblicke auf die flämische Stadt.

Von Diamanten und Stararchitektinnen

Das Havenhuis ist ein weiterer Hingucker. Es dient als neuer Sitz der Hafenbehörde und liegt am Kattendijkdok.

Der Entwurf stammt von Zaha Hadid. Die britisch-irakische Stararchitektin hat auf eine ehemalige Feuerwache einen Überbau aufgestülpt, der wie der Rumpf eines Segelschiffs über dem Gebäude zu schweben scheint.

Seine facettierte Oberfläche glitzert wie ein Diamant. Ein Fingerzeig ins 16. Jahrhundert. Antwerpen ist seit über fünf Jahrhunderten das grösste Diamantenzentrum der Welt.

Havenhuis Architektur Überbau Dach Aufsatz
Funkelnder Aufsatz: Stararchitektin Zaha Hadid entwarf den Neubau fürs Havenhuis. - Sabine Glaubitz/dpa-tmn

Besichtigt werden kann der spektakuläre Bau nur mit einem Führer – auch die Aussichtsplattform.

Von hier aus erfasst man das ganze Inselchen: Bonapartedok, Willemdok, Kattendijkdok, Kempischdok, Asiadok, Oude Dokken, Cadix und Montevideo.

Im Unterviertel Montevideo befindet sich das Red Star Line Museum, ein absolutes Muss. Es liegt in den ehemaligen Gebäuden der 1872 gegründeten gleichnamigen Reederei.

2013 wurde es eröffnet – gewissermassen als Gegenstück zu New Yorks Immigrationsmuseum Ellis Island. Denn in Antwerpen begann für viele Menschen, überwiegend Auswanderer und Flüchtlinge, der Aufbruch in eine neue Welt.

Viertel im Wandel: Montevideo und Cadix

Montevideo und Cadix sind Namen, die an die von Antwerpen aus angelaufenen Häfen erinnern. Beide Unterviertel stecken noch mitten in ihrer Metamorphose.

Luxusresidenzen schiessen aus dem Boden, und mit Droogdokkeneiland und Schengenplein sind riesige Grünflächen entstanden. Aber auch die Kulinarik kommt nicht zu kurz.

Die Brasserie La Pipe d'Anvers in der Cadixstraat mit ihrem flämischen Biergulasch, Belgiens traditionelles Schmorfleisch-Gericht mit Rindfleisch, ist schon lange kein Geheimtipp mehr.

Bier Zapfhahn Gläser Hände
Läuft Ihnen schon das Wasser im Mund zusammen? Nein, dann mögen Sie vermutlich kein Bier. Schade, denn die Sorten der Brouw Compagnie gelten als köstlich. - Niko Caignie/Antwerpse Brouw Compagnie/dpa-tmn

Ebenso wenig das Instroom im Droogdokkenweg, ein gastronomisches Flüchtlingsprojekt. Unter der Aufsicht des belgischen Top-Chefs Seppe Nobels zelebrieren Asylbewerber eine multikulturelle Küche, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben.

Ein beliebter Abstecher liegt in der Indiestraat an der östlichen Kaimauer des Kattendijkdok: die Brouw Compagnie. Johan Van Dyck hat die unabhängige Brauerei im Jahr 2017 eröffnet. Er gehört zu den Pionieren, die sich hier angesiedelt haben.

Die Brauerei ist bekannt für das historische Antwerpener Seefbier sowie das Bootje's Bier – ein Bier, das als Hommage an die Red Star Line gebraut wird. Das Seefbier war lange vergessen.

Stadtarchiv im alten Speicherhaus

Trendy und hip: Ein Image, das noch vor rund 15 Jahren schwer vorstellbar gewesen sei, meint Marie Juliette Marinus, die Stadtarchivarin von Antwerpen.

Seit Anfang der 1990er-Jahre sichtet und sortiert sie Akten und Bilddokumente der Stadt, die ohne Umland rund 500'000 Einwohner zählt und mit dem Umland sogar etwa 1,2 Millionen.

«Der Verfall des Viertels hat in den 60er-Jahren mit der Ausdehnung des Hafens nach Norden begonnen», sagt sie.

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Prachtvoll: Das alte Lagerhaus Felix Pakhuis mit seinem zentralen Durchgang beherbergt unter anderem das Stadtarchiv. - Dave Van Laere/Antwerpen Toerisme & Congres/Visit Antwerpen/dpa-tmn

Wie auf einer Karte im Archiv zu sehen ist, erstreckt sich hinter dem Eilandje der neue Hafen ein halbes Jahrhundert später auf einer Fläche, die drei Viertel des Fürstentums Liechtenstein entspricht.

Der zweitgrösste Hafen Europas – nach Rotterdam und vor Hamburg.

Das Stadtarchiv liegt seit 2006 in den oberen Stockwerken im Felix Pakhuis am Jachthafen Willemdok. Wo heute 30 Kilometer Schriftgut lagern, lagerten einst Kaffee, Getreide und Käse.

Heute steht das 1860 als Speicherhaus errichtete Felix Pakhuis mit seinem zentralen 77 Meter langen Glas-Durchgang unter Denkmalschutz.

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