Ich bin extrem dankbar für die Schweiz

Ist alles gut? Müssen wir alles schön schminken? Nein, findet unser Halleluja-Kolumnist. Aber warum steht dann doch in der Bibel, man solle immer dankbar sein?

Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon. - Fotograf: Sebastian Heeb

Das Wichtigste in Kürze

  • Sam Urech aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist auf Nau.ch.
  • Sind Sie seiner Meinung? Eher nicht? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.
  • Den Autor erreichen Sie unter sam@hisam.ch oder auf Social Media.

Letzthin begegnete ich auf dem Parkplatz der FEG Wetzikon einem Mann um die vierzig. Er sprach italienisch, wirkte verzweifelt und ich roch durch meine Maske, dass er sich nach einer Dusche sehnt.

Da meine Italienischkenntnisse auf «Juve merda!» beschränkt sind, sassen wir ins Auto und fuhren zu meinem Schwager, der Italienisch spricht.

Es stellte sich heraus, dass dieser Mann im Herbst aus Sizilien in die Schweiz kam und hier in einem italienischen Restaurant arbeiten wollte.

Zurück zu seiner Familie

Wegen Corona-Massnahmen verlor er in Palermo seinen Job, fand keinen neuen und konnte darum nicht mehr für seine Frau und Tochter sorgen. Also reiste er zu uns, fand aber auch hier keine Arbeit.

Dieser Mann wollte dringend zurück zu seiner Familie, brauchte Geld für das Zugticket. Als ich mit ihm am Bahnhof auf den Zug wartete, dachte ich darüber nach, was da gerade passiert.

Wer braucht meine Hilfe? Ein Mann aus Italien, also aus dem Land, in das Verzweifelte aus Afrika fliehen.

Kritik ohne Ende

Einmal mehr wurde mir bewusst, welch unfassbares Glück ich hatte, dass Gott für mich Eltern in der Schweiz aussuchte.

Nun ja, wenn ich so in den sozialen Medien rumstöbere, stelle ich fest, dass für viele unser derzeitiges Leben hier in der Schweiz einem Albtraum gleicht.

Der Bundesrat wird heftig kritisiert: Von der Juso, von Spitälern, von rechts, schlicht von überall und von allen gleichzeitig.

Hier wird unser grossartiges Land regiert. - AdobeStock

Da will ich mich gar nicht rausnehmen, ich habe letzten Freitag erwähnt, dass ich das Gesangsverbot in Kirchen schlecht fand und habe eine Woche zuvor gemotzt, dass man die Probleme der Jugend zu lange ignorierte.

Es gibt keine Problemchen

Und dann sehe ich heute Morgen auf Nau.ch die Bilder aus Indien. Schwer zu fassen für mich, was da abgeht. Leid, Leid, überall Leid auf dieser Welt.

Und bei uns? Ich schreie nicht Hurra, auch bei uns passiert Schlimmes. Schlimmes soll man als schlimm benennen und weinen, kämpfen. Es gibt keine Problemchen! Wenn Menschen leiden, ist ihr Anliegen ernst zu nehmen.

Aber Dankbarkeit kann uns helfen. Dankbarkeit beeinflusst den R-Wert kaum, rückt die Massnahmen nicht dahin, wo ich sie haben will – aber Dankbarkeit lässt uns aufatmen.

Ein sarkastischer Bibel-Befehl?

«Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch», steht in der Bibel. Ein Vers, der mir lange wie ein scheusslich sarkastischer Befehl vorkam.

Du steckst bis zum Hals im Kot und musst auch noch «Juhui! Danke, Jesus!» rufen? Sollen wir alle Dinge so hinnehmen, wie sie sind? Und kaum wird es jemandem zu bunt, ist er sogleich undankbar und handelt gegen die Bibel?

Nein. Kämpfen Sie für das, wofür Sie kämpfen mögen! Sagen Sie Nein, wehren Sie sich, stehen Sie auf.

Aber bitte suchen Sie auch immer wieder Grund zum Danken. Gibt es Gründe dafür in Ihrem Leben? Oh, ich hoffe es! Und ich bin überzeugt davon.

Dankbarkeit hilft uns

In der Bibel steht nicht, wir sollten dankbar sein, weil Gott das so sehr brauchen und darum fordern würde. Dankbar sind wir alleine zum Vorteil von uns selbst. Es ist kein fieser Befehl, sondern eine Anleitung, wie Plagen erträglicher werden können.

Neben unfassbar viel familiären Gründen für Dankbarkeit und dafür, welche Freiheit mir mein Glaube an Jesus Christus schenkt, möchte ich heute hier erwähnen, dass ich enorm dankbar für dieses Land bin.

Umfrage

Sind Sie dankbar für die Schweiz?

Ja, enorm.
87%
Nein, gar nicht.
13%

Wir leben in der stabilsten Nation dieser Erde. Ein Bundesstaat voller Möglichkeiten, Freiheiten, ein Land ohne Angst. Ich wüsste nicht mal, in welchen Schutzkeller ich fliehen müsste – aber die Sirenen heulen ja ohnehin nur immer am ersten Februar-Mittwoch um 13.30 Uhr.

Gehen Sie mal nach Israel, wo die Sirene zum Alltag gehört und nur das Vertrauen auf den «Iron Dome» ein Leben ermöglicht. Oder lesen Sie über die Corona-Situation in Indien. Oder eben: Der Blick nach Italien reicht ja schon.

Meinen Fokus richten

Ich will versuchen, in der kommenden Woche statt hundert Dinge mal nur neunzig zu kritisieren. Hilft das irgendjemandem? Ja, mir.

Unser Fokus ist entscheidend. Gucke ich ausschliesslich auf das, was nicht passt, werde ich bitter. Nehme ich auch erfreuliche Dinge wahr, wächst die Freude, die mir hilft, Kummer zu überstehen.

In dem Sinn: Danken schützt vor Wanken. Ich wünsche Ihnen eine dankerfüllte Woche.

***

Zum Autor:

Sam Urech ist 37-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Kommunikationsagentur «ratsam».

Er liebt seine Familie, seine Kirche, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten. Wenn Sie hier klicken, finden Sie alle seine Halleluja-Kolumnen.

Fragen oder Anregungen? Sie finden Sam auf Facebook und Instagram (samurech.ch) sowie auf Twitter (samurech).

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