Ukraine Krieg: Russen googeln nach nächsten Präsidentschaftswahlen

Bellingcat recherchiert nach mutmasslichen Tätern von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. Der Chef der Investigativ-Gruppe ordnet die Lage im Kreml ein.

Wird Kreml-Chef Wladimir Putin in einem Jahr noch an der Macht sein? - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bellingcat sucht im Ukraine-Krieg nach Kriegsverbrechern.
  • Der Chef des internationalen Recherchekollektivs ordnet die Lage im Kreml ein.
  • Präsident Putin gibt er unter jetzigen Bedingungen maximal noch ein Jahr an der Macht.

Mittlerweile dauert der Ukraine-Krieg mehr als acht Monate an und ein Ende scheint so schnell nicht in Sicht zu sein. Für Wladimir Putin stellt sich die Invasion auf die Ukraine bislang als totaler Reinfall heraus.

Einer, der das belegen kann, ist Christo Grozev. Er ist Chefermittler des internationalen Recherchekollektivs Bellingcat und deckt in der Ukraine Kriegsverbrechen auf. In einem Interview mit Tamedia ordnete er nun die Lage rund um Wladimir Putin ein.

Derzeit verändere Putin die Kriegsstrategie im Wochenrhythmus. «Erst wollte er die Ukraine im Handstreich nehmen, das ging schief. Dann holte er private Söldnertruppen und Gefängnisinsassen an die Front. Auch damit hatte er keinen Erfolg», erklärt Grozev.

Sozialer Vertrag gebrochen

Jetzt gäbe es offenbar auch massive Probleme mit der Teilmobilmachung. «Und das sehen auch die Machteliten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch viel länger mitmachen.»

Putin habe mit der Teilmobilmachung einen sozialen Vertrag zwischen Regierung und Bevölkerung gebrochen, erzählt Grozev. «Die Russinnen und Russen konnten dem Überfall wie einem Fussballmatch zusehen: vom Sofa im Wohnzimmer aus, ohne eigenes Risiko. Die Mobilmachung hat das radikal geändert.»

Bellingcat sucht im Ukraine-Krieg nach möglichen Kriegsverbrechen. - Keystone

Jetzt müssten viele Russen selbst am Ukraine-Krieg teilnehmen, und sie würden vielleicht dabei getötet. «Die von ihm versprochene Stabilität gibt es nicht mehr», so Grozev.

Ukraine-Krieg sorgt für steigende Unzufriedenheit

Anzeichen für die steigende Unzufriedenheit in Russland finde Bellingcat nicht auf den Strassen, sondern in den Suchmaschinen. Genauer gesagt in der russischen Version von Google, der Suchmaschine Yandex.

«Zu Beginn des Krieges tauchte oft die Frage auf: Wann kommt Ikea zurück? Je länger der Krieg dauerte, desto häufiger wurde die Frage gestellt: Wann kommt die Mobilmachung? Das waren erste Anzeichen einer existenziellen Angst», erläutert der bulgarische Autor gegenüber Tamedia.

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Und am Tag der Mobilmachung? Eine Frage, die Bellingcat nie zuvor gesehen hätte: «Wann finden die nächsten Präsidentschaftswahlen statt?»

Putin habe mittlerweile nicht nur die Kriegsgegner, sondern auch die Kriegsgurgeln in Russland gegen sich. «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen. Es könnte dabei auch zu grossem Blutvergiessen kommen», sagt Grozev.