Ukraine-Krieg: Sollte die Schweiz Militärverweigerer aufnehmen?
Russen, die sich weigern, im Ukraine-Krieg zu kämpfen, erhalten in der Schweiz kein Asyl. Links will man das ändern – rechts fordert man sogar strengere Regeln.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein russischer Dienstverweigerer erhält in der Schweiz kein Asyl.
- SP-Politikerin Céline Widmer will die Regeln diesbezüglich lockern.
- SVP-Asylchef Pascal Schmid widerspricht – für EVPler Marc Jost hängt es vom Einzelfall ab.
Der Ukraine-Krieg dauert nach wie vor an. Seit Februar 2022 kämpfen Russland und die Ukraine nun schon. Es gibt zwar immer wieder Bemühungen für eine Lösung des Konflikts. Ein Ende scheint derzeit aber nicht wirklich in Sicht.
Zahlreiche Menschen sind vor dem Krieg geflüchtet. Per Ende 2024 lebten in der Schweiz rund 68'000 Personen aus der Ukraine mit dem Schutzstatus S. Dieser wird bis mindestens März 2026 gewährt.
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Doch auch aus Russland kommen Betroffene in die Schweiz. SRF berichtet über den Fall eines 22-jährigen Russen, der in seiner Heimat den Kriegsdienst verweigert hat.
Sein Asylantrag wurde allerdings abgelehnt – er befürchtet, dass ihm eine Haft oder ein Fronteinsatz droht.
SP-Widmer: Asyl für Deserteure könnte sich auf Ukraine-Krieg auswirken
Die Schweiz muss die Regeln diesbezüglich lockern, findet SP-Nationalrätin Céline Widmer. Die Zürcherin hat bereits 2022 eine Motion eingereicht, die forderte: Kriegsdienstverweigerung soll als Asylgrund nicht mehr ausgeschlossen sein, wenn die Person wahrscheinlich an Kriegsverbrechen teilnehmen müsste.
Gegenüber Nau.ch bestätigt sie nun: «Ich bin nach wie vor und mehr denn je der Ansicht, dass die Schweiz russische Kriegsdienstverweigerer und -verweigererinnen besser unterstützen muss.»

Sie argumentiert vor allem damit, dass die Schweiz damit Einfluss auf den Ukraine-Krieg nehmen könnte. «Die russische Anti-Kriegsbewegung spielt eine wichtige Rolle im Widerstand gegen Putins Regime.»
Wenn man diese Bewegung unterstütze und russischen Deserteuren Schutz biete, trage das dazu bei, den Ukraine-Krieg zu beenden. Widmer führt aus: «Damit schützt die Schweiz nicht nur diesen Menschen, sondern schwächt damit auch Putin und seine militärische Kraft.»
Konkret fordert Widmer zwei Anpassungen. Einerseits sollen russische Deserteure und Regimekritiker humanitäre Visa erhalten. Andererseits müsse das Asylgesetz angepasst werden. Dies, damit die Kriegsdienstverweigerung als Asylgrund nicht mehr ausgeschlossen ist.
SVP-Schmid: Schweiz muss bei Status S strenger sein
SVP-Nationalrat Pascal Schmid kann mit der Idee einer Lockerung wenig anfangen. Der Asylchef der Sünneli-Partei sagt gegenüber Nau.ch: «Kriegsdienstverweigerer sind gemäss Flüchtlingskonvention schlicht keine Flüchtlinge.»
Man gehe hierzulande mit der vorläufigen Aufnahme schon meilenweit über die Konvention hinaus, sagt Schmid. «Die Schweiz wird immer attraktiver und deshalb kommen immer mehr», so seine Befürchtung. Statt noch mehr brauche es dringend eine Wende hin zu viel weniger Asylmigranten.

Das Kriterium der Kriegsverbrechen sei zudem «untauglich». «Das ist gar nicht überprüfbar oder erst viel später nach Ende der Kriegshandlungen. Die Linken wollen die ganze Welt aufnehmen. Gestern waren es ‹Klimaflüchtlinge›, jetzt sind es Militärdienstverweigerer», so Schmid.
Die möglichen Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg überzeugen Schmid genauso wenig. «Die Schweiz ist neutral und hat immer gut daran getan, sich aus Kriegen und Konflikten herauszuhalten.»
Zudem hält der Thurgauer fest, dass über 12'000 wehrpflichtige Ukrainer in der Schweiz den Schutzstatus S haben. «Faktisch handelt es sich um Fahnenflüchtige, die ihr Land im Stich lassen und dafür in der Schweiz Sozialhilfe beziehen. SP-Justizminister Beat Jans soll zuerst sein selbstfabriziertes Asylchaos aufräumen, bevor wir noch zusätzlich Russen ins Land holen.»
EVP-Jost: Einzelfallprüfung, aber kein pauschales Asyl
EVP-Nationalrat Marc Jost spricht sich derweil für eine Zwischenlösung aus. Er sagt: «Aus meiner Sicht ist die individuelle Einzelfallprüfung der richtige Weg, um diesen Fällen gerecht zu werden.»
Allen Kriegsdienstverweigerern pauschal Asyl zu gewähren, wäre für den Berner keine Lösung. «Eine solche Regelung könnte zu einer immensen Belastung des Schweizer Asylsystems führen und wäre kaum praktikabel.»

Stattdessen soll im Einzelfall geprüft werden, ob eine Person wegen der Verweigerung tatsächlich «an Leib und Leben bedroht» ist. Wichtige Kriterien hierbei seien unter anderem die Umstände im Herkunftsland sowie die Gründe für die Dienstverweigerung, so Jost. Auf diese Weise könne man der humanitären Asyl-Idee gerecht werden, ohne das Schweizer System zu überlasten.
Wenig überzeugend findet Jost derweil das Argument des Einflusses auf den Ukraine-Krieg. «Aus friedenspolitischer Perspektive dürfte die Aufnahme von Deserteuren kaum eine Wirkung entfalten. Es ist sehr fraglich, ob es überhaupt einen Effekt auf den Kriegsverlauf hätte.»
Jost glaubt aber auch nicht, dass die Aufnahme von russischen Deserteuren aus der Sicht der Neutralität heikel sei. Eben genau, weil man in der Einzelfallprüfung jeweils individuell abwägen könnte.