Ex-Nati-Captain Stephan Lichtsteiner spricht vor der EM 2024 über die Wichtigkeit Xhakas. Und erklärt, warum die Nati auch aus Niederlagen lernen kann.
Schweizer Nati EM 2024
Granit Xhaka übergibt Stephan Lichtsteiner die Binde in der EM-Quali 2020 gegen Irland. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bevor Granit Xhaka übernahm, führte Stephan Lichtsteiner die Nati als Captain aufs Feld.
  • Der heute 40-Jährige sagt, warum der Leverkusen-Star heuer noch stärker sein dürfte.
  • Lichtsteiner empfielt, die Erwartungen hoch anzusetzen – auch wegen dem Frühlings-Koller.
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An fünf EM- und WM-Endrunden hat Stephan Lichtsteiner für die Schweiz verteidigt. Nun nimmt der langjährige Captain der SFV-Auswahl gegenüber der SDA vor der EM 2024 eine Standortbestimmung vor.

Unbestrittener Anführer und Leitfigur ist auch für Beobachter Lichtsteiner Granit Xhaka. «Seit Jahren performt er auf ganz hohem Level – jetzt klappte es auch mit dem Titelgewinn. Solche Momente sind die Krönung der Karriere, das wird ihm unfassbar viel Selbstvertrauen geben. Wer Titel gewinnt, ist in den Büchern», meldet der Mann mit acht Meister- und fünf Cup-Trophäen auf der Visitenkarte.

Wen hältst du für den besseren Nati-Captain?

«Granit ist seit Jahren das Herz. Aber es ist nicht nur Granit, man muss als Mannschaft weiter zulegen, zusammenarbeiten. Es ist ein Teamsport!», so Lichtsteiner.

Während 108 Länderspielen lebte Lichtsteiner selber vor, was er sich nun von seinen Nachfolgern wünscht: «Eines Tages wird auch die aktuelle Generation abtreten. Dann wird es wichtig sein, das Winner-Gen, das Leadership-Gen weiterzugeben. Damit auch die nächsten Jahrgänge fähig sind, diese Konstanz, diese Erfolge zu garantieren.»

Stephan Lichtsteiner warnt vor Frühlings-Koller

Lichtsteiner kennt die Agenda der Nationalspieler selbstredend. Er weiss aus mehrjähriger Turniererfahrung, wie es sich anfühlt, nach einer langen Klubsaison ins Camp der Landesauswahl einzurücken.

«Nach einem Frühling mit erfüllten oder verpassten Zielen folgt oft ein kleiner Taucher, eine Pause. Jeder fährt ein bisschen runter. Es ist nicht immer einfach, die Spannung wieder auf den Punkt aufzubauen. Und dem System den nötigen Strom zuzuführen.»

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Granit Xhaka und Stephan Lichtsteiner an der WM 2018. An der EM 2024 schaut letzterer gespannt zu. - Keystone

Er habe es deshalb immer goutiert, die Erwartungen hoch anzusetzen. «Ich bin ein Fan davon, die Ziele klar zu formulieren. Ziele sollen eine Herausforderung sein», so der siebenfache Serie-A-Champion.

«Ab und zu scheitert man mal – aber in der Regel zahlt es sich aus, in dieser Grössenordnung zu denken.» Mit der gesteigerten Erwartungshaltung könne die Nationalmannschaft umgehen, sie habe sich diese positive Ausgangslage aufgebaut. «Die Fans erwarten seit Jahren viel, weil das Team eben auch seit Jahren Erfolge vorzuweisen hat.»

Mit Captain Lichtsteiner scheiterte die Schweiz dramatisch im Achtelfinal

Der inzwischen 40-jährige Ex-Aussenverteidiger kennt indes den schmalen Grat. Auf EM- und WM-Niveau entscheiden Nuancen über den weiteren Weg. «Eine kleine Unachtsamkeit, ein Fehler, und schon ist man in Rücklage.» Manchmal sei ein Wimpernschlag ausschlaggebend, so der frühere Juventus-Professional.

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Angel Di Maria schiesst die Schweiz an der WM 2014 in der Verlängerung aus dem Turnier. - Keystone

«Wir waren oft nahe dran am Viertelfinal. Gegen Argentinien kam das Out erst in der Verlängerung (WM 2014). Gegen Polen im Penaltyschiessen (EM 2016), gegen Schweden hätten wir 2018 gewinnen können.» Lichtsteiner spricht von «Episoden, von Augenblicken, die alles verändern können».

«Aber wichtig ist es, immer wieder in solchen grossen Spielen zu sein, regelmässig in den Achtelfinal vorzustossen. Wenn du immer alles machst, um besser zu sein, dann kippt das Glück, der Erfolg auch mal auf deine Seite.»

Der frühere SFV-Wortführer erinnert. «Ich selber habe 17 Trophäen geholt. Aber auch zwei Champions-League-Finals verloren, einen UEFA-Cup-Final, zwei Super-Cup-Finals, einen italienischen Cupfinal, den Schweizer Cupfinal.»

Katar-Erinnerungen und Yakin-Zukunft spielen keine Rolle

Nicht immer rolle der Ball wunschgemäss. Ab und an könne es auch so laufen wie in Katar. Die Schweiz verabschiedete sich im Winter 2022 mit einem 1:6-Debakel gegen Portugal durch die Hintertür.

Lichtsteiner will diesen Absturz nicht überbewerten: «Dort ging wirklich alles schief. Im Sport gehört dazu, solche Dinge zu verarbeiten.»

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An der WM 2022 gegen Portugal sei alles schiefgelaufen, was schieflaufen könne, sagt Stephan Lichtsteiner. - Keystone

Die Unebenheiten im Verlauf der Kampagne zur EM 2024 sind für den Ex-Capitano kein Grund, alles infrage zu stellen: «Es gab auch in der Vergangenheit zähflüssige Qualifikationsphasen. Wichtig ist, dass man die Fehler sauber analysiert – das hilft, um wach zu bleiben.»

Die offene Zukunft von Murat Yakin sei innerhalb der Mannschaft kaum ein zentrales Thema: «Letztlich geht es um den maximalen Erfolg an der EM 2024. Die Jungs sind total auf die Gruppe fokussiert, jeder Spieler brennt für den nächsten Sieg. Mit der Zukunft des Trainers beschäftigt sich während des Turniers keiner.»

Schweiz muss an EM 2024 Erfahrung ausspielen

Auf die Kontrahenten in der Gruppenphase an der EM 2024 geht der künftige Wettswil-Bonstetten-Coach nicht im Detail ein. Ungarn und Schottland, inzwischen wieder regelmässig auf EM-Niveau aktiv, seien nicht zu unterschätzen.

«Nichts ist einfach, die anderen Nationen schlafen nicht. Deutschland ist wieder an einem Punkt angelangt, an dem sie mit den Grossen mitspielen können.»

Die Schweiz sei «von den Einzelspielern her top besetzt. Sie muss an der EM 2024 auf sich selber schauen und ihre Erfahrung an Turnieren ausspielen.»

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