Schon lange vor der Fussball-Weltmeisterschaft richtete Katar Grossereignisse wie Leichtathletik- oder Handball-WM aus. Für das kleine Land geht es dabei um viel mehr als nur um Sport.
Mächtiger Vorstandschef von Paris Saint-Germain: Nasser al-Chelaifi (l).
Mächtiger Vorstandschef von Paris Saint-Germain: Nasser al-Chelaifi (l). - Jonathan Brady/dpa

Roger Federer, Lewis Hamilton, Malaika Mihambo oder Frankreichs Handballer: Die Liste jener Sportlerinnen und Sportler, die schon einmal einen bedeutenden Wettbewerb in Katar gewonnen haben, ist prominent und lang.

Schon Jahre vor dem Beginn der Fussball-Weltmeisterschaft an diesem Sonntag investierte das kleine Emirat am Persischen Golf viel Geld, um grosse Sport-Veranstaltungen ins Land zu holen – und um eigene Leute wie Paris Saint-Germains Präsident Nasser Al-Khelaifi in einflussreiche Positionen des Weltsports zu bringen.

«Sportwashing»

«Sportwashing» ist der Begriff dafür: Ein autokratisch regiertes Land wie Katar nutzt Grossereignisse wie sein internationales Tennis-Turnier, die Handball-WM 2015, die Leichtathletik-WM 2019 und vor allem die Fussball-WM in diesem Jahr, um sein Image zu verbessern und seine Strahlkraft zu erhöhen. «Sportwashing» ist aber nicht das Ziel dieses Landes, sondern nur ein Mittel zum Zweck. «Internationale Sportveranstaltungen sind Teil eines viel grösseren strategischen Projekts, an dem Katar seit Jahrzehnten arbeitet», sagt der Politikwissenschaftler und Golfstaaten-Experte Nicolas Fromm von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg der Deutschen Presse-Agentur.

Im Kern geht es bei diesem Projekt darum: Ein Land, das flächenmässig kleiner als Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Thüringen ist, nutzt seinen gigantischen Energiereichtum, um sich einen möglichst grossen Einfluss und ein möglichst grosses Netzwerk zu schaffen.

Deshalb beteiligt es sich auf dem Feld der Wirtschaft an Weltkonzernen wie Volkswagen oder Siemens. Und deshalb betreibt Katar auch eine Aussenpolitik, die gleichzeitig die radikalislamische Hamas im Gazastreifen unterstützt und Kontakte zu Israel unterhält. Die sowohl ein Verbindungsbüro der Taliban als auch die grösste amerikanische Militärbasis des Nahen Ostens im Land ermöglicht.

«Türen in jede Richtung offenzuhalten»

«Der Gedanke ist, die Türen in jede Richtung offenzuhalten», erklärt Fromm. «Denn aus Katars Sicht betrachtet ist es so: Die grössten Feinde sitzen am nächsten dran.»

Das kleine Katar liegt genau zwischen dem 185 Mal so grossen Saudi-Arabien und dem 142 Mal so grossen Iran – und es widersetzt sich vor allem der saudischen Dominanz in der Region seit Jahren. «Je mehr Leute über Katar sprechen, je stärker Katar sich vernetzt und je mehr Leute auf der Welt mitbekommen, dass es Katar gibt – desto sicherer ist dieses Land. Desto unwahrscheinlicher wird es, dass Saudi-Arabien dort eines Tages interveniert», sagt Fromm. «Katar weiss um seine Verwundbarkeit und ist deshalb wie kein anderes Land in der Region nach aussen ausgerichtet.»

Die Rolle im Weltsport ist ein gutes Beispiel dafür, mit wie viel Geld und welcher Zielstrebigkeit Katar seine Ambitionen vorantreibt. «Krebsgeschwür des Weltfussballs», nannte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger das Emirat einst, weil dessen Einfluss überall hinreicht: Vereine, Verbände, Veranstaltungen. Der Fussballverband Katars forderte eine Unterlassung dieser Aussage, scheiterte damit aber vor Gericht.

PSG-Kauf als Meilenstein

2011 kaufte das Emirat über den Qatar-Sports-Invest­ment-Fond QSI den französischen Spitzenclub Paris Saint-Germain. Die gesamte Strategie des Clubs ist seitdem auf globale Aufmerksamkeit ausgerichtet. Und das Muster, das auch hier zu erkennen ist: Um seine Ziele zu erreichen, zahlt Katar jeden Preis.

PSG verpflichtete mit dem Brasilianer Neymar (222 Millionen Euro) und dem Franzosen Kylian Mbappé (180 Millionen) die beiden teuersten Spieler der Welt. Im vergangenen Jahr kam auch noch der argentinische Superstar Lionel Messi dazu. Der Gewinn der Champions League sprang dabei noch nicht heraus. Aber es gibt im Sport längst andere Währungen, die auch etwas zählen: Stand 2021 spielten drei der sechs Fussballer mit den weltweit meisten Social-Media-Followern für den Katar-Club aus Paris.

Anders als die aus Abu Dhabi stammenden Eigentümer von Manchester City begnügt sich der PSG-Präsident Al-Khelaifi auch nicht mit einem Platz in der Ehrenloge seines Clubs. Der frühere Tennisprofi ist Chef der europäischen Club-Vereinigung ECA, Mitglied im Exekutivkomitee des europäischen Fussball-Verbands UEFA und Geschäftsführer des TV-Senders beIN Sports, der unter anderem die Übertragungsrechte der deutschen Bundesliga in 28 Ländern besitzt. Keine Entscheidung im europäischen Fussball wird mehr ohne den 49 Jahre alten Al-Khelaifi getroffen. Das Staatsoberhaupt persönlich – der Emir Tamim bin Hamad Al Thani – ist seit 2002 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.

«Die Eroberung der Sportwelt»

«Die Eroberung der Sportwelt» (Der Spiegel) war 2010 perfekt: Begleitet von massiven Korruptionsvorwürfen erhielt Katar den Zuschlag für die Fussball-Weltmeisterschaft – und nicht die USA. «Diese WM ist sehr wichtig für das Land», sagte Fromm. «Sie trägt den Namen Katar zum ersten Mal flächendeckend in die grosse westliche Welt. Zum ersten Mal ist die Publicity wirklich weltweit und erreicht auch Schichten, die sich bislang nie mit dem Orient beschäftigt haben.»

Diese WM zeigt auch, wie erfolgreich die Strategie Katars auf vielen Ebenen ist. Ein Land ohne Fussball-Tradition und Fussball-Infrastruktur sicherte sich das grösste Fussball-Ereignis der Welt. Das kleine Katar überstand zwischen 2017 und 2021 auch ohne grössere Schäden eine See-, Land- und Luft-Blockade der weitaus grösseren Nachbarn Saudi-Arabien, Ägypten und Vereinigte Arabische Emirate. Der WM-Gastgeber hat dafür genug Geld – und mittlerweile auch Verbündete.

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