Champions League: Fingerspitzengefühl oder kapitaler Schiri-Bock?
Das Wichtigste in Kürze
- Ein «glasklarer Elfmeter» wird den Bayern in der Champions League bei Arsenal verwehrt.
- Der Schiedsrichter verteidigt sich: Die Gunners hätten sich einen «Kinderfehler» erlaubt.
- Auf der Nau.ch-Sportredaktion gehen die Meinungen auseinander.
Es ist nicht der einzige Aufreger im Champions-League-Viertelfinal zwischen Arsenal und Bayern München, aber vielleicht der grösste: Gunners-Torhüter David Raya spielt einen Abstoss zu Gabriel, der am Fünfmeterraum steht. Der nimmt den Ball in die Hand, legt ihn wieder auf den Rasen und spielt ihn zurück.
Ist die Szene mit Arsenal-Goalie Raya und Gabriel für Sie ein Penalty?
Die Bayern sehen sich um einen «glasklaren Elfmeter» betrogen. Schiedsrichter Glenn Nyberg verteidigt seine Entscheidung später: Es habe sich um einen «Kinderfehler» («kid's mistake») gehandelt, einen solchen pfeife man in der Champions League nicht. Auf der Nau.ch-Sportredaktion gehen die Meinungen auseinander.
Christoph Böhlen, Sportchef
«Was an der Szene mit Arsenal-Goalie Raya aussergewöhnlich ist: Normalerweise wird das Spiel vor einem Abstoss nicht mit einem Pfiff freigegeben. Dies passiert aber in diesem Fall, weil direkt davor eine Auswechslung durchgeführt wird.
Das Timing zwischen der Freigabe und dem Ballkontakt von Raya ist dann ebenfalls suboptimal: Kaum ist der Pfiff erfolgt, berührt der Goalie das Spielgerät. Nachvollziehbar, dass Verteidiger Gabriel hier auch verwirrt ist.
Es ist richtig, verzichtet Schiedsrichter Nyberg hier auf einen Pfiff. Es ist zwar unglücklich und alle Beteiligten machen keine gute Figur. Doch im grössten aller Klub-Wettbewerbe hier auf den Punkt zu zeigen, wäre dieser Affiche nicht würdig gewesen. Nur in der Kommunikation mache ich dem Unparteiischen Vorwürfe!
Nyberg hätte das Spiel nochmals unterbrechen, sich für das ungeschickte Timing entschuldigen sollen. Dann hätte man das Spiel erneut mit einem Abstoss fortsetzen können und alles wäre in Butter.
Dass der Schwede danach von einem ‹Kinderfehler› spricht, ist höchst unglücklich. Der Fehler liegt in dieser Situation mindestens zur Hälfte bei ihm. Dass er immer Gnade vor Recht ergehen lässt, spricht für sein Fingerspitzengefühl.»
Mathias Kainz, Sportredaktor
«Rollen wir die Situation mal von hinten auf: Warum genau meint der Unparteiische, ein ‹Kinderfehler› müsse in der Champions League nicht geahndet werden? Wie genau definiert Glenn Nyberg denn einen Kinderfehler – ist ein Handspiel auf der Torlinie auch ein solcher? Oder eine Notbremse gegen einen enteilenden Harry Kane?
Der Schiedsrichter hat die – keineswegs einfache, aber simple – Aufgabe, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen. Es liegt dabei nicht im Ermessen des Unparteiischen, zu bestimmen, welche Regeln eingehalten werden und welche nicht. Man erlaube mir den Formel-1-Vergleich mit Michael Masi in Abu Dhabi ...
Aber das eigentliche Problem beginnt schon bei der Auswahl des Unparteiischen. Nichts gegen Nyberg, der – bis zum ‹Kinderfehler› – einen guten Job gemacht hat. Aber einen Schiedsrichter aus einer VAR-freien Liga wie der schwedischen in die Champions League zu holen? Das ist zumindest heikel, wenn nicht fragwürdig.
Die UEFA wäre gut beraten, aus diesem Vorfall ihre Lehren zu ziehen. Vielleicht muss man Schiedsrichtern in der Königsklasse einbläuen, dass ganz besonders ‹Kinderfehler› bestraft werden müssen. Die Schiedsrichter existieren zur Durchsetzung der Regeln – nicht zu deren kreativer Interpretation.»