«Studium mit frühem Praktikum – wir müssen reden»

Die Berufslehre zeige: Wer früh Verantwortung übernimmt, wächst daran. Ein Gastbeitrag des Berner SVP-Nationalrats Hans Jörg Rüegsegger.

Mann grau Porträtfoto kräftig
Hans Jörg Rüegsegger ist Nationalrat für die SVP. - zVg

In den letzten Wochen wurden die eidgenössischen Parlamentarier mit Mails aus unterschiedlichsten Branchen und Organisationen zum Entlastungspaket 2027 (EP 27) regelrecht überflutet.

Der Ständerat hat das Paket in der Wintersession behandelt, der Nationalrat in der Frühlingssession – Grundlage ist die Botschaft des Bundesrats.

Unter den insgesamt 57 Massnahmen sind auch bei Wissenschaft, Bildung und Kultur Anpassungen vorgesehen. Gleichzeitig betonen viele Politiker, man wolle bei der Bildung nicht sparen.

studieren
«Wir sollten auch bei der gymnasialen und tertiären Ausbildung mehr Praxis verankern», findet der Berner SVP-Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger. (Symbolbild) - Franziska Gabbert/dpa-tmn

Als Argumente werden oft das erfolgreiche duale Bildungssystem sowie die Spitzenposition der Schweiz in Forschung und Innovation genannt.

Auch Begriffe wie tertiäre Ausbildung, Weiterbildung und «lebenslanges Lernen» fallen im und rund ums Bundeshaus besonders häufig – verbunden mit vielen Ideen, wie die Berufsbildung weiter gestärkt werden könnte.

Ein Blick auf die Berufsbildung zeigt, warum: In der Lehre sind die meisten Lernenden vier Tage pro Woche im Betrieb und einen Tag in der Berufsschule.

Einige stehen für ihre Lehre sehr früh auf oder gehen sogar von zu Hause weg, um «fremdes Brot» zu essen. Viele übernehmen früh Verantwortung, leisten teils Wochenenddienste. Das prägt – und macht stark.

Aus interessanten Gesprächen mit Studierenden aus verschiedenen Studiengängen und Anhörungen in unserer Kommission komme ich zum Schluss: wir müssen darüber reden.

Mehr Praxis in der Ausbildung verankern

Wir sollten auch bei der gymnasialen und tertiären Ausbildung mehr Praxis verankern. Spätestens ab Studienbeginn – oder bereits ab 16 Jahren – sollte ein fixer Praxistag pro Woche möglich werden, beispielsweise in einer sozialen Institution, in der Pflege oder in einem KMU.

Bereits bis 60 Prozent der Studierenden arbeiten heute ohnehin neben dem Studium (teils in fachfremden Jobs), das ist vorbildlich! Wenn Praxis gezielt in die Ausbildung integriert wird, profitieren alle.

Ein mögliches Modell wäre daher: vier Tage Schule/Studium, ein Tag Praktikum. Damit sich Studiengänge nicht verlängern, könnten 40 bis 45 Praktikumstage pro Jahr ein erster, realistischer Ansatz sein.

Es braucht klare Rahmenbedingungen

Und ja: Das wirft Fragen auf – etwa, wenn 73 Prozent der Studierenden in Praktika von mittlerem bis hohem Stressniveau berichten. Genau deshalb braucht es klare Rahmenbedingungen.

Richtig umgesetzt erzielen wir für die Bildung, die Wirtschaft und die Gesellschaft einen Win-win-win-Effekt: erstens weniger Stress für die einzelnen Schüler beziehungsweise Studierenden, zweitens mehr Platz an den Bildungsinstitutionen, drittens Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft, weil Power, Innovationen und kreative Ideen der Praktikanten schneller in die Praxis fliessen – und weil das Modell gleichzeitig einen aktiven Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten könnte.

Wer früh Verantwortung übernimmt, wächst daran

Die Berufslehre zeigt: Wer früh Verantwortung übernimmt, wächst daran. Viele junge Berufsleute sind nach dem EFZ stolz auf das Erreichte.

Hast du eine Berufslehre gemacht?

Die jungen Berufsleute haben viel Praktisches erlernt, Hochs und Tiefs ihrer Branche oder im Betrieb hautnah miterlebt, Durchhaltewille bewiesen und sind als diplomierte Berufsleute Teil der Gesellschaft geworden.

Die Frage ist daher: Wenn wir Praxis früher und systematischer in die Ausbildung integrieren – müssten wir dann in künftigen Entlastungspaketen überhaupt noch über Sparmassnahmen bei Bildung, Forschung und Kultur diskutieren?

Zum Autor

Hans Jörg Rüegsegger (*1970) ist Landwirt, Berufsbildner, und Nationalrat für die SVP. Er kommt aus Riggisberg. Von 2012 bis 2023 war er Präsident des Berner Bauern Verbands.

Kommentare

Weiterlesen

26 Interaktionen
Bern
Schweizer Franken
18 Interaktionen
Schwerer Stand
Studierende
5 Interaktionen
460 Mio. weg

MEHR SVP

Michael Götte
Michael Götte
Yannick Berner Porträtfoto Altstadt
22 Interaktionen
Yannick Berner (FDP)
Vroni Thalmann-Bieri SVP
41 Interaktionen
Thalmann-Bieri (SVP)

MEHR AUS AGGLO BERN

Mujinga Kambundji
2 Interaktionen
1 Monat nach Geburt
1 Interaktionen
Köniz