Verfassungsgerichtshof erklärt Thüringer Paritätsgesetz für nichtig

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Deutschland,

Im bundesweit ersten Urteil zu sogenannten Paritätsgesetzen hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof ein Gesetz der rot-rot-grünen Landesregierung für nichtig erklärt.

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Justitia. - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Höcke: Bedeutender AfD-Sieg - Süssmuth nennt Urteil rückwärtsgewandt.

Eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene paritätische Besetzung der Wahllisten der Parteien mit gleich vielen Männern und Frauen ist verfassungswidrig, entschied das Gericht am Mittwoch und gab damit der AfD Recht. Während die AfD das Urteil begrüsste, zeigte sich vor allem die Linke enttäuscht.

Ziel von Paritätsgesetzen ist ein Ende des Umstands, dass bisher meist deutlich mehr Männer politische Mandate haben als Frauen. Als erstes Bundesland beschloss Anfang 2019 Brandenburg deshalb mit der damaligen Regierungskoalition von SPD und Linken sowie Stimmen der damals oppositionellen Grünen ein Paritätsgesetz, über das im August ebenfalls verhandelt wird. Thüringen zog vor einem Jahr mit einem eigenen Gesetz nach.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof kippte das Landesgesetz mit sechs zu drei Richterstimmen. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Stefan Kaufmann, sagte in seiner Begründung, das Gesetz beeinträchtige das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl. Den Parteien werde die Freiheit genommen zu entscheiden, wie viele Männer und Frauen auf der Liste aufgestellt werden. Freiheit der Wahl bedeute auch das Recht, sich ohne staatliche Beschränkung zur Wahl zu stellen.

Der Gerichtspräsident sieht auch einen Einfluss auf die Programmfreiheit der Parteien. So wäre eine Partei nach dem Paritätsgesetz auch dann dazu gezwungen worden, gleich viele Männer und Frauen aufzustellen, wenn sie ihre Programmatik entweder mit besonders vielen Frauen oder mit besonders vielen Männern darstellen wolle. Frauen und Männer hätten in Deutschland sowohl in aktiver wie in passiver Hinsicht die gleichen Rechte bei Wahlen, sagte Kaufmann. Davon zu trennen sei die Frage, ob der Gesetzgeber etwas unternehmen müsse, mehr Frauen in Parlamente zu bringen - dies habe aber keine verfassungsrechtliche Relevanz.

Der Thüringer AfD-Landes- und -fraktionschef Björn Höcke erklärte, das Urteil sei ein «bedeutender Sieg für die Thüringer AfD-Fraktion». Es sei auch ein Sieg für die Demokratie und eine Niederlage «jener Ideologen, die glauben, sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen zu können». Das Gesetz sei ein Versuch gewesen, mittels Quoten den politischen Wettbewerb zugunsten von Rot-Rot-Grün zu verzerren, so Höcke.

Auch die Thüringer FDP-Fraktion begrüsste das Urteil. Ihre justizpolitische Sprecherin Franziska Baum erklärte: «Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Paritätsregelung dem Grundgesetz widerspricht, nach dem keiner aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt oder eben bevorzugt werden darf.»

Der justizpolitische Sprecher der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, Stefan Schard, warf der damaligen Regierungskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) vor, «das richtige Ziel der Gleichberechtigung mit falschen Mitteln verfolgt und dabei elementare Verfassungsgrundsätze verletzt» zu haben. Es habe «Ignoranz gegenüber zahlreichen Warnungen» gegeben.

Enttäuscht zeigte sich die Linken-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow, die im Urteil eine «Niederlage für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Politik und Parlamenten» sieht. Parität bedeute keineswegs eine Einschränkung von Demokratie.

Die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping sagte der Nachrichtenagentur AFP: «Es gibt einen Verfassungsauftrag, die Gleichstellung zu fördern. Das Urteil des Thüringer Landesverfassungsgerichtes ist daher klar nicht, was ich erhofft habe.»

Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) kritisierte die Thüringer Entscheidung als «bedauernswert rückwärtsgewandt». Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Süssmuth: «Die Gesellschaft ist heute schon viel weiter. Sie will die Gleichstellung von Frauen und Männern - auch im politischen Raum und gerade in den Parlamenten.»

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