Ein UN-Abkommen soll den Schutz der nicht zu Hoheitsgebieten gehörenden Meere regeln.
Ein Schiff der philippinischen Navy fährt durch das umstrittene Gewässer der Half-Moon-Untiefe. Durch das seichte Wasser sieht man den Meeresboden.
Ein Schiff der philippinischen Navy fährt durch das umstrittene Gewässer der Half-Moon-Untiefe. Durch das seichte Wasser sieht man den Meeresboden. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Hochsee-Schutz soll in den kommenden Wochen von der UN festgelegt werden.
  • Bislang sind Rohstoffabbau und Patente fast ungeregelt.

Bei insgesamt vier zweiwöchigen UN-Verhandlungsrunden, die heute Dienstag in New York beginnen, soll bis zum Jahr 2020 geregelt werden, wie internationale Gewässer – Seegebiete, die nicht zum Hoheitsgebiet einzelner Nationalstaaten gehören – künftig geschützt werden. Diese Meeresgebiete machen immerhin fast 46 Prozent der Erdoberfläche aus. Seit den 80er Jahren interessieren sich zunehmend Unternehmen für diese Gebiete mit ihrer riesigen genetischen Vielfalt.

Laut einer Studie, die im Juni im Fachblatt «Science Advances» veröffentlicht wurde, ist die Zahl der Patente auf Grundlage von marinen Lebewesen in den vergangenen 15 Jahren massiv angestiegen. Angemeldet werden sie demnach vor allem von privaten Unternehmen, Hochschulen haben nur einen Anteil von zwölf Prozent.

Deutschland dominiert die Meerespatente

Der Markt mit Biotechnologien auf Grundlage von Meereslebewesen könnte Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2025 einen Umfang von 6,2 Milliarden Franken erreichen. Die Nase vorn in der Branche haben derzeit Deutschland, die USA und Japan. Den Löwenanteil aller Patente mit Wirkstoffen aus dem Meer sicherte sich der deutsche Chemieriese BASF: Die Ludwigshafener verfügen über 47 Prozent der Patente.

Die hohe See sei wegen der Vielfalt ihrer Lebensräume und ihrer «üppigen Artenvielfalt» für Unternehmen interessant, erläutert die Biologin Françoise Gaill, die den wissenschaftlichen Beirat der in Paris ansässigen Plattform Ozean und Klima koordiniert. Tatsächlich dürfen die Weltmeere als Wiege des Lebens gelten, denn hier entwickelten sich Lebewesen schon viel früher als an Land.

Wegen der schwierigen Lebensbedingungen in der Tiefsee – Dunkelheit, hoher Druck, hoher Säuregehalt sowie mitunter grosse Hitze in der Nähe heisser Quellen – haben die Lebewesen dort ausserdem hochspezialisierte Eigenschaften entwickelt, die für Pharma- und Kosmetikkonzerne interessant sind.

So wird mittlerweile aus Schwämmen ein Mittel gegen Krebs gewonnen. Ein im Meer heimischer Bauchfüssler namens Zauberkegel erzeugt eine schmerzstillende Substanz, die tausend Mal stärker als Morphium ist. Die Eigenschaften von Algen, Krustentiere und Quallen werden bei der Herstellung von medizinischem Gerät genutzt. Auch in vielen Cremes und Seren für eine bessere Haut kommen Substanzen aus dem Meer zum Einsatz.

Teure Angelegenheit

Meeresschätze für eine kommerzielle Nutzung zu heben, ist allerdings eine teure Angelegenheit. So kostet eine Korallenernte in der Tiefsee 441'000 Franken pro Woche, wie die Studie in «Science Advances» aufführte. In die Nutzung von Meereswirkstoffen zu investieren, kommt also für ärmere Länder nicht in Frage, kritisiert Sophie Arnaud-Haond, Wissenschaftlerin am französischen Meeresforschungsinstitut Ifremer.

Der Nutzen der natürlichen Ressourcen komme daher nur einigen wenigen zugute. Schliesslich entscheide der erste, der ein Patent einreicht, über die künftige Nutzung eines bestimmten Moleküls, kritisiert Arnaud-Haond. Wie sie spricht sich auch die Biologin Gaill dafür aus, in dem geplanten Abkommen zum Hochsee-Schutz auch ärmere Länder an diesem «Gemeingut der Menschheit» teilhaben zu lassen.

Der Jurist Julien Rochette rechnet damit, dass die künftigen Regelungen zur Nutzung des Gen-Pools der Meere zu den Knackpunkten bei den Verhandlungen über das neue Meeresabkommen gehören werden. Es handele sich schliesslich um «das komplexeste Thema aus technischer und rechtlicher Sicht» und für den Umgang damit gebe es bislang kaum Vorbilder.

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