Steinmeier ruft am 75. Jahrestag der Ardennenoffensive zu geeintem Europa auf
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat anlässlich des 75. Jahrestags der Ardennenoffensive dazu aufgerufen, sich für ein geeintes Europa und gegen Nationalismus einzusetzen.

Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsident fordert Engagement gegen Nationalismus.
Ein geeintes, friedliches Europa sei die Lehre, die die Europäer aus dem Krieg gezogen hätten, sagte Steinmeier am Montag bei einer Gedenkzeremonie im belgischen Bastogne. «Bitte lasst uns das nicht vergessen. Gerade in dieser Zeit, in der Nationalismus und völkisches Denken wieder an Verführungskraft gewinnen.»
Bei den Gedenkfeierlichkeiten in der Kleinstadt Bastogne wurde an die alliierten Soldaten erinnert, die den letzten deutschen Grossangriff im Zweiten Weltkrieg abgewehrt hatten. Die Ardennenoffensive in Belgien war der letzte Versuch Hitler-Deutschlands, die Alliierten doch noch zu schlagen. Die Wehrmacht begann ihren Angriff am 16. Dezember 1944. Zeitweise wurden die US-Truppen zurückgeworfen.
An der offiziellen Gedenkzeremonie am Mardasson-Denkmal, das an die zehntausenden getöteten und verletzten US-Soldaten erinnert, nahmen unter anderem US-Verteidigungsminister Mark Esper, der belgische König Philippe und seine Frau Mathilde, der luxemburgische Grossherzog Henri, Belgiens geschäftsführende Ministerpräsidentin Sophie Wilmès und Polens Präsident Andrzej Duda teil.
Die Ardennenoffensive habe «unendliches Leid, Zerstörung und Tod» gebracht, sagte Steinmeier. Die Toten seien «Opfer von Hass, Verblendung und Zerstörungswut, die von meinem Lande ausgegangen waren». Deutschland wisse um seine Verantwortung. «Wir stehen zu dieser Verantwortung, und wir tragen sie weiter», sagte der Bundespräsident.
Die Bundesrepublik sei dankbar, dass Belgien dennoch bereit gewesen sei zur Versöhnung. «Nur deshalb konnten wir gemeinsam den Grundstein für ein geeintes, friedliches Europa legen. Deshalb, nur deshalb sind aus den Feinden von damals gute Nachbarn geworden. Mehr noch: sogar Freunde.» Steinmeier dankte auch den USA, die mit ihren alliierten Verbündeten Europa befreiten.
US-Verteidigungsminister Esper würdigte die bei der Zeremonie anwesenden Veteranen. «Über das Schlachtfeld hat sich vor langer Zeit Stille gesenkt, die meisten Veteranen dieser Zeit sind verstorben. Es ist ein Segen, dass wir heute eine Gruppe von Helden bei uns haben, die immer noch unter uns weilen», sagte Esper. Der Minister gehörte während des Golfkriegs 1991 selbst der 101. US-Luftlandedivision an, die knapp 50 Jahre zuvor von der Wehrmacht in Bastogne umzingelt worden war.
Der belgische König Philippe lobte den Mut und die «Entschlossenheit unserer Befreier» und erinnerte an die Notwendigkeit, sich immer gegen die rassistische Ideologie des Nationalsozialismus zu stellen.
Wochenlang waren die Soldaten im eisigen Winter und bei «gut 40 Zentimetern Schnee» eingekesselt, erinnerte sich der US-Veteran Malcolm Marsh, der damals 21 Jahre alt war. Belgische Dorfbewohner hätten den Soldaten weisse Bettlaken überlassen, damit diese getarnt hinter die feindlichen Linien gelangen konnten. «Ich hatte eine sechs Meter lange weisse Schleppe hinter mir, wie eine Braut», scherzte der 96-Jährige aus Alabama.
Am Nachmittag besuchte die Delegation das Grab des US-Generals George S. Patton, der den belagerten US-Soldaten zu Hilfe gekommen war, auf dem US-Soldatenfriedhof in Luxemburg. Dort war Patton nach seinem Tod 1945 auf eigenen Wunsch inmitten seiner Soldaten bestattet worden.
Am Sonntag hatten bereits hunderte Darsteller in historischen Uniformen Kampfszenen des Winters vor 75 Jahren nachgestellt. Auf Einladung des belgischen kriegshistorischen Instituts nahmen auch belgische, US- sowie deutsche Zeitzeugen an den Feierlichkeiten teil.
Zwischen 10.000 und 19.000 US-Soldaten liessen während der Belagerung in den Ardennen ihr Leben; auf deutscher Seite starben 15.000 bis 20.000. Hinzu kamen 3000 belgische Zivilisten, die unter deutschem Artillerie-Beschuss und bei Massakern der Waffen-SS getötet wurden.