Selenskyj reagiert auf Putins Pass-Vorstoss mit Gegenangebot
Der designierte Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hat Russlands Vorstoss zur Einbürgerung von Ukrainern mit einem Gegenangebot gekontert.

Das Wichtigste in Kürze
- Designierter Präsident der Ukraine prangert fehlende Freiheiten in Russland an.
«Wir wissen ganz genau, was einem ein russischer Pass bietet», schrieb Selenskyj am Samstagabend im Online-Netzwerk Facebook. Als Beispiele nannte er «das Recht, für eine friedliche Demonstration verhaftet zu werden», und «das Recht, keine freien Wahlen mit gleichen Chancen zu haben». Daher sei die Ukraine bereit, Vertreter aller Länder einzubürgern, die unter «autoritären und korrupten Regimes» litten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor angedeutet, sein neues Dekret, wonach Menschen in der Ostukraine schneller einen russischen Pass bekommen können, könnte auf das gesamte Land ausgedehnt werden.
Selenskyj schrieb weiter, sein Angebot richte sich zuallererst an russische Bürger. Seinen Text verfasste der Wahlsieger, der selber vor allem Russisch spricht, in beiden Sprachen. Darin erklärte er auch, einer der Unterschiede zwischen den beiden Ländern sei, dass es in der Ukraine freie Meinungsäusserung, freie Medien und ein freies Internet gebe. Zugleich warnte er Moskau, Kiew nicht mit «Drohungen oder wirtschaftlichem Druck» zu begegnen.
Putin hatte am Mittwoch ein Dekret unterzeichnet, wonach für Bürger in den selbsterklärten Republiken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine die Vergabe von russischen Pässen erleichtert werden soll. Demnach sollen russische Behörden innerhalb von drei Monaten über einen entsprechenden Antrag entscheiden.
Aus Kiew und aus zahlreichen EU-Staaten kam daraufhin Kritik und der Vorwurf, Russland versuche, die Ukraine in der Übergangsphase zwischen zwei Präsidenten zu destabilisieren. Am Samstag sagte Putin dann, Moskau denke «tatsächlich» darüber nach, diese Praxis auf die gesamte ukrainische Bevölkerung anzuwenden.
Die beiden Nachbarländer stehen seit Jahren im Konflikt miteinander. Nach der Maidan-Revolution im Jahr 2014 hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert, ausserdem unterstützt die Regierung in Moskau die Separatisten in der Ostukraine.
Putins Vorstoss galt in diesem Zusammenhang auch als ein Versuch, den künftigen Präsidenten zu testen. Wie sein Amtsvorgänger Petro Poroschenko hatte sich auch Selenskyj im Walkampf als prowestlich präsentiert. Zudem forderte er eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche für die Ostukraine.