Russland will die in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban zu einer internationalen Konferenz nach Moskau einladen.
Putin bei Konferenz der SCO-Staaten
Putin bei Konferenz der SCO-Staaten - SPUTNIK/AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Auch China und Pakistan sollen an Gesprächen im Oktober teilnehmen.

Der russische Afghanistan-Gesandte Samir Kabulow bestätigte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, dass Vertreter der Taliban am 20. Oktober in der russischen Hauptstadt an den Gesprächen zur Zukunft des Landes teilnehmen sollen, zu denen auch Vertreter Chinas, des Iran, Pakistans und Indiens eingeladen sind.

Die Gespräche sollen im Anschluss an den G20-Gipfel zu Afghanistan am 12. Oktober stattfinden, auf dem versucht werden soll, das Land vor einer humanitären Katastrophe zu bewahren. Zur Agenda und den konkreten Teilnehmern wollte sich Kabulow noch nicht äussern.

In Afghanistan verschlimmert sich die Versorgungslage der Bevölkerung seit der Machtübernahme der Taliban Mitte August immer mehr. Kabulow zufolge bereitet die russische Regierung derzeit Hilfslieferungen vor. Die logistischen Details würden gerade «ausgearbeitet», sagte er und fügte hinzu, dass «Fracht» gesammelt werde.

Moskau steht vor der Herausforderung, mit den Taliban zu verhandeln, ohne die Gruppe, die in Russland als terroristische Organisation verboten ist, als Regierung anzuerkennen. Am Montag hatte Kabulow gesagt, der Kreml schliesse eine Aufhebung der UN-Sanktionen gegen die Taliban «nicht aus». Er schränkte aber ein: «Zum jetzigen Zeitpunkt halten wir es nicht für sinnvoll, etwas zu überstürzen.»

Moskau hatte sich in den vergangenen Jahren um einen Draht zu den Islamisten bemüht und sie mehrfach zu Gesprächen in den Kreml eingeladen. Das letzte Treffen mit Taliban-Vertretern in Moskau fand im Juli statt. Anders als westliche Regierungen hatte Moskau nach der Machtübernahme der Taliban in der afghanischen Hauptstadt Kabul auch seine Botschaft offen gehalten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte nach der überstürzten Evakuierungsaktion der Nato-Länder aus Kabul die ausländische Einmischung in afghanische Angelegenheiten kritisiert und erklärt, Moskau habe «Lehren» aus dem Einmarsch der Sowjetunion in das Land in den 1980ern gezogen. In dem jahrelangen Krieg wurden damals bis zu zwei Millionen Afghanen getötet.

Mitte September hatte sich Putin dann für eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Taliban ausgesprochen. «Die Taliban kontrollieren quasi das gesamte Staatsgebiet von Afghanistan», hatte Putin bei einem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) gesagt. Nun gehe es darum, sie dazu zu bringen, «ihre Versprechen zu halten». Dazu zählte der russische Staatschef «Frieden, eine Normalisierung des öffentlichen Lebens und Sicherheit für alle».

Der SCO gehören neben Russland auch China, Indien, Pakistan und einige Länder Zentralasiens an. Der Iran und Afghanistan haben dort Beobachterstatus.

Das von Russland angeführte Sicherheitsbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) hatte Mitte September jedoch auch grossangelegte Militärübungen in Tadschikistan nahe der Grenze zu Afghanistan angekündigt. Die Rückkehr der Taliban an die Macht am Hindukusch hatte in den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens grosse Besorgnis ausgelöst. Befürchtet wird eine Stärkung extremistischer Gruppen und ein Andrang von Flüchtlingen.

China hatte Anfang September die Bildung der Übergangsregierung in Kabul durch die Taliban begrüsst und seine Absicht erklärt, freundliche Beziehungen zu den Islamisten zu unterhalten. Nach Einschätzung von Experten würde eine stabile und kooperative Regierung in Kabul China weitere wirtschaftliche Perspektiven und die Ausweitung seines Projekts Neue Seidenstrasse ermöglichen.

Die Staaten der Europäischen Union stellten den Taliban hingegen eine Reihe von Bedingungen für eine Zusammenarbeit und für weitere Hilfszahlungen. Dazu zählten die Achtung der Rechte von Frauen und Mädchen und eine freie Ausreise für europäische und afghanische Staatsbürger. Afghanistans Wirtschaft ist weitgehend von ausländischen Hilfszahlungen abhängig.

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