Merkel würdigt ungarischen Beitrag zum Fall der Berliner Mauer
30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den ungarischen Beitrag zum Berliner Mauerfall gewürdigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Kanzlerin betont nach Treffen mit Orban Gemeinsamkeiten in der Migrationspolitik.
Bei einem Festakt zum 30. Jahrestag des «Paneuropäischen Picknicks» in der ungarischen Kleinstadt Sopron sagte Merkel am Montag, in der Grenzöffnung 1989 hätten sich die Werte der Solidarität, der Freiheit und des Friedens und eines «menschlichen Europas» gespiegelt.
Das grenzüberschreitende Picknick am 19. August sei ein «wesentlicher Baustein zur Vereinigung Europas» gewesen, sagte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Deutschland werde Ungarn dies nicht vergessen, betonte Merkel.
Etwa 600 Urlauber aus der DDR hatten das von der ungarischen Opposition und der Paneuropa-Union veranstaltete Picknick am 19. August 1989 spontan zur Flucht in den Westen durch ein kurzzeitig geöffnetes Grenztor genutzt, ohne dass die ungarischen Grenzsoldaten einschritten.
Während eines Gedenkgottesdienstes würdigte Merkel den «Mut» und die «Menschlichkeit» der ungarischen Grenzsoldaten. Sie erinnerte auch an die «Unsicherheit und die Sorgen», mit denen das Picknick international verfolgt worden sei. Die Niederschlagung der Aufstände in Ostdeutschland 1953 und in Ungarn 1957 sowie das blutige Ende des Prager Frühlings seien damals noch deutlich in Erinnerung gewesen, sagte Merkel.
Orban hob hervor, dass die Grenzöffnung von Sopron den Weg für die deutsche Einheit bereitet habe. Ungarn sei sich immer bewusst gewesen, dass «unsere Befreiung vom sowjetischen Joch erst mit der deutschen Einheit gesichert war».
Merkel und Orban nahmen die Gedenkveranstaltung auch zum Anlass für bilaterale Gespräche. Das Verhältnis der beiden Regierungschefs gilt seit der Flüchtlingskrise 2015 als schwer belastet. Orban, dem vorgeworfen wird, den Rechtsstaat in Ungarn auszuhöhlen, ist einer der schärfsten internationalen Kritiker von Merkels Migrationspolitik. Beim letzten Treffen vor mehr als einem Jahr in Berlin hatte Merkel ihren ungarischen Kollegen zu mehr «Menschlichkeit» in der Flüchtlingspolitik aufgerufen.
Die neue EU-Kommission, die ihre Amtsgeschäfte am 1. November aufnimmt, berge die Möglichkeit, «alte Gräben zu überwinden», sagte Merkel nun in Sopron. Sie befürwortete den von der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten «Neustart» in der Migrationspolitik.
Zwar gebe es zwischen Berlin und Budapest auch «unterschiedliche Meinungen», sagte Merkel. Um aber in der Migrationspolitik zu Lösungen zu kommen, «sollten wir bei den Gemeinsamkeiten ansetzen», sagte Merkel. So seien sich Deutschland und Ungarn etwa einig darin, dass Fluchtursachen bekämpft und der Grenzschutz an den EU-Aussengrenzen verbessert werden müssten. «Wir müssen den Schleppern und Schleusern das Handwerk legen», sagte Merkel.
Trotz der politischen Spannungen pflegen Ungarn und Deutschland enge wirtschaftliche Beziehungen. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Ungarns. «Unsere beiden Volkswirtschaften sind sehr miteinander verquickt», sagte Merkel. Mit Blick auf die Weltwirtschaft wollten Deutschland und Ungarn darauf hinarbeiten, dass «nicht protektionistische Entwicklungen die Oberhand gewinnen». Europa brauche weiterhin «bruchlose Handelsbeziehungen» mit den USA und China, sagte die Kanzlerin.
Merkel hob bei den Feierlichkeiten in Sopron auch ihre persönliche Prägung durch den Fall des Eisernen Vorhangs hervor. Dieser habe gezeigt, dass «man sich mit den jeweiligen Zuständen nicht abfinden muss», sagte Merkel. Ihr Elan und Wille, «Dinge, die ich ändern möchte, zu ändern» speise sich bis heute aus den Erfahrungen des Jahres 1989, sagte Merkel.