Vor den angekündigten Oppositionsprotesten am Wochenende haben die russischen Behörden die Gangart gegenüber Regierungskritikern weiter verschärft.
Alexej Nawalny
Polizisten im Gebäude von Nawalnys Stiftung FBK. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht bestätigt Haftstrafe für Nawalny - Polizei warnt vor Teilnahme an Demos.

In der Nacht zum Donnerstag nahmen Polizisten mehrere Verbündete des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in Gewahrsam, darunter seinen Bruder Oleg und seine Mitstreiterin Ljubow Sobol, wie Nawalnys Mitarbeiter Iwan Schdanow mitteilte. Ein Gericht in Moskau bestätigte derweil die 30-tägige Haft für Nawalny.

Schdanow schrieb im Onlinedienst Twitter, Sobol und Oleg Nawalny seien für 48 Stunden in Gewahrsam genommen worden. Ihnen werde ein Verstoss gegen Corona-Auflagen vorgeworfen. Laut Sobols Anwalt Wladimir Woronin wurden beide über Nacht verhört.

Für 48 Stunden in Gewahrsam genommen wurde laut Schdanow auch Nawalnys Ärztin Anastasia Wasiljewa. Deren Sprecherin veröffentlichte bei Twitter ein Video, das die Ärztin beim Klavierspielen zeigt, während Uniformierte vor ihrem Haus eintreffen. Festgenommen wurde nach Angaben der Aktivistin Nadja Tolokonnikowa auch «Pussy Riot»-Mitglied Maria Alechina.

Laut einem Bericht der Nachrichten-Website Mediasona hatten russische Polizisten am Mittwoch mindestens 18 Wohnungen von Nawalny-Verbündeten durchsucht. Auch die Wohnung der Frau des Kreml-Kritikers, Julia Nawalnaja, in Moskau sowie die Büroräume von Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung FBK wurden durchsucht. In einer weiteren durchsuchten Wohnung in Moskau hielt sich Nawalnys Bruder auf. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch wurde zu neun Tagen Haft verurteilt.

Nawalny war nach fünf Monaten medizinischer Behandlung in Deutschland nach einem Giftanschlag am 17. Januar nach Russland zurückgekehrt. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Moskau wurde er festgenommen und einen Tag später wegen Verstosses gegen Bewährungsauflagen zu 30 Tagen Haft verurteilt. Am Donnerstag bestätigte ein Gericht in Moskau das Urteil gegen den 44-Jährigen aus erster Instanz.

Nawalny, der dem Gericht per Video zugeschaltet war, verurteilte die «Rechtlosigkeit» des Vorgehens gegen ihn. Ziel der Behörden sei es, «mich und andere Menschen einzuschüchtern», sagte er. Seine Anwältin Olga Michailowa kündigte an, gegen die Gerichtsentscheidung in Berufung gehen zu wollen.

Der 44-jährige Nawalny ist der prominenteste Kritiker von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Seinem Aufruf zum Protest gegen den Kreml waren am vergangenen Wochenende zehntausende Russen gefolgt. Gegen die Demonstrationen in mehr als 120 Städten des Landes gingen die Sicherheitskräfte hart und teils brutal vor. Mehr als 4000 Menschen wurden festgenommen, gegen mehrere Demonstranten laufen Strafermittlungen. Amnesty International warf der russischen Regierung vor, «ihre Kritiker zum Schweigen bringen» zu wollen.

Die Opposition will aber nicht aufgeben. Nawalnys Verbündeter Leonid Wolkow rief im Messengerdienst Telegram zu erneuten landesweiten Protesten am Sonntag auf - «trotz Razzien, nächtlichen Verhören, den 4000 Festnahmen vergangene Woche und den Lügen und Einschüchterungen durch die Kreml-Propaganda».

Die Moskauer Polizei warnte die Menschen vor einer Teilnahme an den Protesten. «Versuche, ungenehmigte öffentliche Versammlungen abzuhalten sowie alle provokanten Handlungen seitens der Teilnehmer werden als Bedrohung der öffentlichen Ordnung betrachtet und sofort unterdrückt», hiess es in einer Mitteilung.

Demonstrationen bedürfen in Russland einer Genehmigung. Teilnehmer illegaler Versammlungen werden von den russischen Behörden mit Härte verfolgt. Gesetzlich verboten ist es zudem, Jugendliche unter 18 Jahren zur Teilnahme an ungenehmigten Protesten aufzurufen. Gegen Nawalnys Vertrauten Wolkow läuft ein Ermittlungsverfahren, weil er junge Menschen für Demonstrationen mobilisiert haben soll. Die Behörden haben auch angekündigt, gegen Onlinedienste wie Instagram, Twitter oder Tiktok vorzugehen, die solche Aufrufe auf ihren Seiten nicht löschen.

Der Politikexperte Alexander Baunow vom Carnegie-Zentrum in Moskau sieht in Nawalnys Strategie den Versuch, den Kreml in eine Machtprobe zu zwingen. Nawalny sei bereit, den Preis dafür zu zahlen, «ein echtes Gegengewicht zu Putin zu werden», sagte Baunow der Nachrichtenagentur AFP. Nawalny wolle sich auf eine Situation vorbereiten, in der er als «wichtigster Oppositionsführer ein echter Wettbewerber um die Macht werden kann».

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