Bei der Parlamentswahl im Libanon hat das politische Lager um die schiitische Hisbollah-Partei laut vorläufigen Ergebnissen Verluste verzeichnet.
Frau bei der Stimmabgabe in Beirut
Frau bei der Stimmabgabe in Beirut - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Gute Ergebnisse für Opposition in mehreren Landesteilen.

Die Hisbollah konnte zwar alle ihre Mandate behalten, die verbündete christliche Partei von Präsident Michel Aoun, die Freie Patriotische Bewegung (FPM), erlitt jedoch Einbussen, wie aus den am Montag veröffentlichen ersten Ergebnissen hervorging. Die Opposition ging indes gestärkt aus der Wahl vom Sonntag hervor.

Die Partei Libanesische Kräfte (LF) gewann mehrere Sitze hinzu und dürfte damit zur grössten christlichen Partei im Parlament avancieren. Die Partei des ehemaligen Kriegsherrn Samir Geagea steht Saudi-Arabien nahe. Sie ist seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren fester Bestandteil der Politik und hatte sich im Wahlkampf deutlich gegen die Hisbollah positioniert.

«Die libanesische Bevölkerung hat die herrschenden Parteien abgestraft und sich uns angeschlossen und damit ihren Willen für einen Neuanfang zum Ausdruck gebracht», sagte LF-Sprecher Marc Saad der Nachrichtenagentur AFP.

In mehreren Landesteilen schnitten zudem neue Oppositionsparteien stark ab. Sie waren 2019 aus einer starken Protestbewegung vorwiegend junger Menschen hervorgegangen, die Front gegen die herrschenden Eliten machte. Neuen Auftrieb erhielt die Bewegung nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut mit mehr als 200 Toten.

Den unabhängigen Kandidaten dieser Protestbewegung war es vor der Wahl nicht gelungen sich zusammenzuschliessen. Im neuen Parlament könnten sie jedoch genügend Sitze gewinnen, um einen noch nie dagewesenen Einfluss auf die Politik des Landes auszuüben. Zehn oder mehr Abgeordnete des Reformlagers könnten damit zum Königsmacher bei der Bildung einer neuen Regierung werden.

Das politische System des Libanon hat die Macht seit langer Zeit unter den Religionsgemeinschaften aufgeteilt und eine herrschende Elite gefestigt. Der Präsident ist traditionell ein maronitischer Christ, der Regierungschef ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein Schiit. Dieses System schmälert die Wahlchancen für nicht-religiöse Parteien und Vertreter der Zivilgesellschaft.

Die offiziellen Ergebnisse wurden im Laufe des Montags erwartet. Dann wird sich zeigen, ob die Hisbollah und ihre Verbündeten weiterhin eine handlungsfähige Mehrheit im Parlament haben. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 41 Prozent. Bei der vorherigen Parlamentswahl 2018 hatte die Wahlbeteiligung immerhin noch acht Prozentpunkte darüber gelegen. Den etablierten Parteien war es offenbar nicht gelungen, die Massen zu mobilisieren.

Insbesondere in den sunnitisch geprägten Regionen war die Wahlbeteiligung niedrig, nachdem der wichtigste sunnitische Politiker und frühere Regierungschef Saad Hariri aus Protest gegen das System die Wahl boykottiert hatte.

Überschattet wurde die Abstimmung durch Stromausfälle in mehreren Wahllokalen und gewaltsame Zwischenfälle in den Hochburgen der Hisbollah. Sie fand zudem vor dem Hintergrund der schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Krise des Landes seit dem 1990 beendeten Bürgerkrieg statt. Die UNO stuft inzwischen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung als arm ein. Der Staat versagt selbst bei grundlegenden Dienstleistungen wie der Stromversorgung oder der Müllabfuhr.

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