Regierende Sozialdemokraten müssen Machtverlust in Montenegro fürchten

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Montenegro,

Bei der Parlamentswahl in Montenegro haben die seit Jahrzehnten regierenden Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit eingebüsst und müssen nun den Machtverlust fürchten.

Wähler in der Hauptstadt Podgorica
Wähler in der Hauptstadt Podgorica - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Oppositionsbündnis könnte nach Parlamentswahl Regierungskoalition bilden.

Zwar liegt nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen die sozialdemokratische DPS von Präsident Milo Djukanovic mit 35 Prozent der Stimmen vorne, wie die Wahlkommission am Montag bekanntgab. Die Opposition schnitt aber stark ab und könnte im Falle eines Zusammenschlusses die Regierung übernehmen.

Das pro-serbische Oppositionsbündnis Für die Zukunft Montenegros kam bei der Wahl am Sonntag nach Angaben der Wahlkommission auf 32,5 Prozent. Die Allianz könnte den Machtwechsel auch als zweitstärkste Kraft schaffen, wenn sie sich noch mit anderen Gruppierungen zusammenschliesst. Zwei weitere Oppositionsparteien kommen demnach auf 12,5 Prozent und 5,5 Prozent der Stimmen.

Sollte der Opposition der Machtwechsel gelingen, käme dies einem politischen Erdbeben in dem kleinen Adriastaat gleich. Die Sozialdemokraten haben in Montenegro noch nie eine Wahl verloren. Die DPS fuhr ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis überhaupt ein.

Djukanovic sagte am Sonntagabend bei einem Auftritt in der Parteizentrale der Sozialdemokraten: «Die DPS ist die stärkste Partei in Montenegro.» Er führte ins Feld, dass seine Partei zusammen mit traditionellen Verbündeten eine Mehrheit von 40 Sitzen zusammenbekommen könne. Der Anführer der Oppositionsallianz, Zdravko Krivokapic, verkündete hingegen triumphierend: «Das Regime ist gestürzt.» Anhänger des Oppositionsbündnisses feierten in den Strassen der Hauptstadt Podgorica.

Der 58-jährige Djukanovic ist seit Ende der neunziger Jahre die dominierende politische Figur in Montenegro. Er führte das Land zur Unabhängigkeit von Serbien im Jahr 2006 und dann 2017 in die Nato. Als nächsten grossen Schritt strebt Djukanovic die Aufnahme Montenegros in die Europäische Union an.

Seine Kritiker werfen Djukanovic allerdings einen autoritären Regierungsstil, Korruption und Verbindungen zur organisierten Kriminalität vor. Der Staatschef stand selbst am Sonntag nicht zur Wahl. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden erst 2023 statt.

Das schwache Ergebnis der DPS führen Politikbeobachter in erster Linie auf deren Streit mit der nach wie vor einflussreichen serbisch-orthodoxen Kirche zurück. Darin geht es um ein Ende 2019 verabschiedetes Gesetz, das zur Verstaatlichung hunderter serbisch-orthodoxer Klöster führen könnte. Grosse Proteste des serbischen Teils der Bevölkerung waren die Folge. Serben machen rund ein Drittel der 620.000 Bewohner Montenegros aus.

Wegen der Corona-Pandemie mussten die Wähler bei dem Urnengang Masken tragen, Sicherheitsabstände einhalten und sich vor Ausfüllen der Wahlzettel die Hände desinfizieren. Die Pandemie hat das stark vom Tourismus abhängige Land auch wirtschaftlich schwer getroffen. Es droht die schlimmste Krise in mehr als einem Jahrzehnt.

Zugleich gilt Montenegro als einer der vielversprechendsten EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan. In Brüssel herrschen aber nach wie vor Vorbehalte wegen eingeschränkter Pressefreiheit und der starken organisierten Kriminalität in dem Land.

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