Jubel in Israel, Empörung bei den Palästinensern: Der Kurswechsel der USA hinsichtlich der israelischen Siedlungspolitik ist international auf Ablehnung gestossen.
US-Aussenminister Mike Pompeo
US-Aussenminister Mike Pompeo - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Palästinenser kündigen Widerstand an - Bundesregierung lehnt Neubewertung ab.

Die Palästinenserführung verurteilte die Entscheidung Washingtons, die jüdischen Siedlungen im Westjordanland nicht länger als völkerrechtswidrig einzustufen. Die Türkei und die Arabische Liga schlossen sich am Dienstag der Kritik an. Auch die Bundesregierung, die UNO und die EU widersprachen den USA.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Dienstag bei einem Besuch in der jüdischen Siedlung Gusch Etzion südlich von Jerusalem von einem «historischen Tag und einem weiteren riesigen Erfolg für den Staat Israel». Die US-Regierung habe mit ihrer Entscheidung «eine historische Ungerechtigkeit korrigiert und sich der Wahrheit und Gerechtigkeit angepasst».

Die Palästinenserführung verurteilte den Schritt der US-Regierung hingegen scharf und kündigte Gegenmassnahmen an. «Wir haben Beratungen innerhalb der UNO aufgenommen, um einen Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat einzubringen», sagte der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat. Sollten die USA wie erwartet ein Veto einlegen, zeige dies, dass Washington sich gegen internationales Recht stelle. Es werde den USA nicht gelingen, «uns in die Knie zu zwingen».

US-Aussenminister Mike Pompeo hatte am Montag in Washington erklärt, nach sorgfältiger Prüfung «aller Seiten» der juristischen Debatte sei seine Regierung zu dem Schluss gelangt, dass die jüdischen Siedlungen in dem Palästinensergebiet nicht «per se» im Widerspruch zum internationalen Recht stünden. Die Errichtung jüdischer Siedlungen im Westjordanland als Verstoss gegen das Völkerrecht einzustufen, habe «nicht funktioniert», sagte der US-Aussenminister. «Es war der Sache des Friedens nicht dienlich.»

Mit seinen Äusserungen verkündete Pompeo eine wichtige Wende in der US-Nahostpolitik. Bislang galt für Washington zumindest theoretisch eine Expertise des US-Aussenministeriums von 1978 als massgebend, wonach die Errichtung jüdischer Siedlungen in den israelisch besetzten Palästinensergebieten einen Bruch des Völkerrechts darstellt.

Auch die Vereinten Nationen sehen die Siedlungen als rechtswidrig an. Ein UN-Sprecher betonte am Dienstag, «eine veränderte politische Haltung in einem Staat» habe keinen Einfluss auf geltendes internationales Recht oder seine Auslegung durch den Internationalen Gerichtshof und den Sicherheitsrat.

Von weiten Teilen der internationalen Staatengemeinschaft werden die jüdischen Siedlungen als grosses Hindernis im Nahost-Friedensprozess betrachtet. Entsprechend kritisch fielen die Reaktionen auf den US-Kurswechsel aus. «Der Siedlungsbau ist aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtswidrig, beeinträchtigt die Möglichkeit eines Friedensprozesses und erschwert eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung», betonte das Auswärtige Amt und verwies auf eine entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats. Ähnlich äusserte sich die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.

Die Arabische Liga sprach von einer «äusserst negativen Entwicklung». Jordaniens Aussenminister Ayman Safadi warnte, die Entscheidung der USA könne «gefährliche Folgen» nach sich ziehen. Auch sein türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu übte Kritik an der US-Regierung. «Kein Land steht über dem internationalen Recht», erklärte er.

Die US-Regierung hatte unter Präsident Donald Trump bereits eine Reihe von Entscheidungen zugunsten Israels getroffen. So erkannte Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels sowie Israels Souveränität über die besetzten syrischen Golan-Höhen an.

Die jetzige Entscheidung in Washington zu den Siedlungen im Westjordanland kommt Netanjahu, einem Verbündeten Trumps, möglicherweise innenpolitisch zugute. In Israel wird nach zwei Parlamentswahlen in diesem Jahr weiterhin um die Bildung einer neuen Koalitionsregierung gerungen. Vor der Wahl im September hatte Netanjahu angekündigt, bei einem Wahlsieg das Jordantal im Westjordanland annektieren zu wollen.

Die israelische Armee meldete derweil Raketenangriffe aus Syrien. Vier Geschosse seien am Dienstag abgefangen worden, teilte das Militär mit. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte reagierte Israel mit Vergeltungsangriffen. Ziel der Bombardements seien Stellungen regierungstreuer Gruppen gewesen, welche zuvor die Raketen auf Israel abgefeuert hätten.

Vergangene Woche hatten militante Palästinenser nach israelischen Militärangaben aus dem Gazastreifen rund 450 Raketen auf Israel abgefeuert. Auslöser war die gezielte Tötung eines Anführers der Miliz Islamischer Dschihad durch einen israelischen Luftangriff.

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