Europäer wollen Atomabkommen mit dem Iran durch Schlichtungsverfahren retten
Angesichts wiederholter Verstösse des Iran gegen das internationale Atomabkommen wollen die Europäer den Vertrag mit Krisendiplomatie doch noch retten.

Das Wichtigste in Kürze
- Maas hofft auf diplomatische Lösung des Konflikts - Kritik aus Moskau.
Deutschland, Frankreich und Grossbritannien aktivierten am Dienstag einen Streitschlichtungsmechanismus, der im Falle eines Scheiterns mit der Wiedereinführung von UN-Sanktionen gegen Teheran enden könnte. Ziel sei aber eine «diplomatische Lösung» des Konflikts, betonte Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD). Die Führung in Teheran stand auch im eigenen Land weiter unter Druck.
«Die zunehmenden iranischen Verletzungen des Nuklearabkommens konnten wir nicht länger unbeantwortet lassen», erklärte Maas. Deshalb sei «nach intensiven Beratungen» mit Frankreich und Grossbritannien der im Atomabkommen festgeschriebene Schlichtungsmechanismus ausgelöst worden.
«Unser Ziel ist klar: Wir wollen das Abkommen bewahren und zu einer diplomatischen Lösung innerhalb der Vereinbarung kommen», erklärte Maas. «Wir fordern den Iran auf, sich konstruktiv an diesen Verhandlungen zu beteiligen», sagte der Minister später vor Journalisten.
Das 2015 geschlossene Abkommen soll den Iran am Bau einer Atombombe hindern. Nach dem einseitigen Ausstieg der USA im Mai 2018 zog sich auch der Iran schrittweise aus der Vereinbarung zurück. Zuletzt kündigte Teheran nach der Tötung des einflussreichen iranischen Generals Kassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff im Irak am 5. Januar die «fünfte und letzte Phase» des Rückzugs aus dem Atomabkommen an.
Die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens machten in einer gemeinsamen Erklärung deutlich, dass sie mit der nun erfolgten Auslösung des Schlichtungsverfahrens keineswegs auf den US-Kurs des «maximalen Drucks» einschwenken. Vielmehr soll das Atomabkommen erhalten werden.
Der Streitschlichtungsmechanismus sieht ein mehrstufiges Verfahren mit zahlreichen Fristen vor. Es kann sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, weil das Prozedere mehrfach verlängert werden kann. Ohne Einigung mit dem Iran könnten am Ende UN-Sanktionen gegen den Iran wiedereingeführt werden. Allerdings wird der UN-Sicherheitsrat nicht automatisch angerufen.
Es seien nun «intensive Anstrengungen aller» nötig, um das Abkommen zu erhalten, erklärte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell. Angesichts «der anhaltenden gefährlichen Eskalation» in der Golfregion sei die Rettung des Abkommens «wichtiger den je».
Der Iran drohte dagegen mit «Konsequenzen». Wenn die Europäer versuchen sollten, den Schlichtungsmechanismus «zu missbrauchen, müssen sie bereit für die Konsequenzen sein», teilte das iranische Aussenministerium mit.
Kritik kam auch aus Russland. Das Aussenministerium in Moskau bezeichnete das Vorgehen der Europäer als «unüberlegt». Es berge die Gefahr einer «weiteren Eskalation».
Die Führung in Teheran ist auch innenpolitisch in Bedrängnis. Rund eine Woche nach dem Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs in der Nähe von Teheran vermeldete die iranische Justiz erste Festnahmen. Justizsprecher Gholamhossein Esmaili sagte, es habe bereits «umfassende» Ermittlungen zu dem Flugzeugabschuss sowie «einige» Festnahmen gegeben. Genaue Zahlen nannte er nicht.
Präsident Hassan Ruhani forderte in einer im Fernsehen übertragenen Rede die Bestrafung aller Verantwortlichen. Für die Bevölkerung sei es wichtig, «dass jeder, der in irgendeiner Art falsch oder fahrlässig gehandelt hat», zur Verantwortung gezogen werde.
Der Iran hatte erst nach tagelangen Dementis den versehentlichen Abschuss der Passagiermaschine zugegeben, bei dem am vergangenen Mittwoch alle 176 Insassen getötet worden waren. Am Dienstag gab es deshalb den vierten Tag in Folge Proteste.
AFP-Korrespondenten berichteten, dass in Teheran rund 200 Studenten am Dienstag Mitgliedern einer regimetreuen Miliz gegenüberstanden. Bei den Demonstrationen in den vergangenen Tagen wurden nach Angaben der iranischen Justiz bisher rund 30 Menschen festgenommen.