Ein AfD-Politiker aus Baden-Württemberg wird von seinem Hausarzt abgewiesen: Wegen «deutlich unterschiedlicher Ansichten» soll er sich einen neuen Arzt suchen.
AfD Arzt Hippokratischer Eid
Ein Hausarzt will einen langjährigen Patienten nicht mehr sehen. Grund dafür ist die AfD-Parteimitgliedschaft des Patienten – aus medizinethischer Sicht ist das problematisch. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein deutscher Hausarzt weist einen Patienten wegen seiner politischen Ansichten zurück.
  • Es handelt es sich um einen Lokalpolitiker der Alternative für Deutschland (AfD).
  • Der Politiker ist empört: Sein Hausarzt habe ihn einfach abblitzen lassen, erklärt er.
Ad

Gemäss der vom Weltärztebund beschlossenen ärztlichen Berufspflichten sind Mediziner verpflichtet, Menschen in Not zu helfen. Das sogenannte «Genfer Gelöbnis» verbietet es Ärzten, eine Vielzahl von Faktoren zwischen ihre Pflichten und ihre Patienten treten zu lassen.

Namentlich handelt es sich dabei um Erwägungen von Alter, Krankheit, Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder politischer Zugehörigkeit. Auch Rasse, sexuelle Orientierung, soziale Stellung oder «jegliche andere Faktoren» dürften Mediziner nicht daran hindern, ihre ärztlichen Pflichten auszuüben.

Das «Genfer Gelöbnis» gilt als zeitgemässe Neufassung des sogenannten «Eid des Hippokrates» – die erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik. Dieses Gelöbnis ist in die «Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte» übernommen worden.

Arzt will Patienten nicht mehr behandeln

In Deutschland sorgt derzeit ein Fall für reichlich Medienecho. Wie die «Bild» am Dienstag berichtet, wird das «Genfer Gelöbnis» nämlich scheinbar nicht von allen Ärzten respektiert. Ein AfD-Politiker empört sich gegenüber dem Boulevardblatt: «Mein Arzt lässt mich einfach abblitzen!»

AfD Arzt Hippokratischer Eid
Ein AfD-Lokalpolitiker empört sich: «Mein Arzt lässt mich einfach abblitzen!» Grund dafür ist die Parteimitgliedschaft des Patienten, wie aus dem E-Mail-Verkehr hervorgeht. (Symbolbild)
AfD Arzt Hippokratischer Eid
Heiko Nüssner (3. von links) ist 57-jährig und war 26 Jahre lang in der CDU tätig. Danach wechselte er zur Alternative für Deutschland. Jetzt will ihn sein Hausarzt nicht mehr behandeln.
AfD Arzt Hippokratischer Eid
Eine Sorgfaltspflicht-Verletzung weist der Arzt zurück – Nüssners Medikamente seien nicht lebenswichtig: «Wenn jemand akute Hilfe braucht, würde ich selbstverständlich helfen.» (Symbolbild)
AfD Arzt Hippokratischer Eid
Der Mediziner habe den Patienten schon zuvor als «sehr unangenehm» empfunden – er habe eine «fordernde und drängende Art». Die AfD-Politik sei lediglich das «i-Tüpfelchen». (Symbolbild)

Heiko Nüssner ist 57-jährig und war 26 Jahre lang in der CDU tätig. Danach wechselte er zur Alternative für Deutschland: «Ich war von der CDU wegen der Euro- und Migrationspolitik und wegen des Ausstiegs aus der Kernenergie enttäuscht.» Deshalb habe er 2016 die Partei gewechselt, erklärt Nüssner. «Für mich ist die AfD die ‹neue CDU› und keineswegs rechtsextrem!»

Ganz anders sieht dies der Hausarzt des AfD-Politikers: Als Nüssner um ein neues Medikamenten-Rezept bat – er sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl – winkt der Mediziner ab. Er erklärt, dass sich der AfD-Politiker «aufgrund politisch deutlich unterschiedlicher Ansichten» einen «anderen Arzt des Vertrauens» suchen solle.

Foto in der Zeitung als «i-Tüpfelchen»

Wie die «Bild» unter Berufung auf andere Quellen berichtet, war ein Foto in der Lokalpresse der Auslöser für den Disput: Auf dem Bild ist Nüssner mit Parteikollegen nach seiner Wahl in den Vorstand des AfD-Stadtverbands zu sehen.

Demnach habe der Mediziner den AfD-Politiker schon zuvor als «sehr unangenehm» empfunden. Er habe eine «fordernde und drängende Art», erklärt er gegenüber «Bild». Das Foto in der Zeitung habe für ihn lediglich das «i-Tüfpelchen» dargestellt.

AfD Arzt Hippokratischer Eid
Der Mediziner erklärt, dass er die «undemokratischen Tendenzen» der Alternative für Deutschland nicht unterstützen wolle. (Symbolbild) - keystone

Der Mediziner stehe in der «Mitte der Gesellschaft und nicht am linken Rand», lässt er sich in dem Boulevardblatt zitieren. «Aber solche undemokratischen Tendenzen muss ich nicht unterstützen.»

Keine Verletzung der ethischen Pflichten?

Von einer Verletzung seiner ethischen Sorgfaltspflichten will der politisch sensibilisierte Mediziner trotz allem nichts wissen: «Die Medikamente, nach denen der Patient gefragt hatte, sind nicht lebenswichtig. Wenn jemand akute Hilfe braucht, würde ich ihm unabhängig seiner Weltanschauung selbstverständlich helfen.»

Finden Sie es richtig, wenn ein Arzt einen Patienten nicht behandeln möchte, weil dieser der AfD angehört?

AfD-Politiker Nüssner seinerseits ist vom Verhalten seines ehemaligen Hausarztes schwer enttäuscht: «Ich empfinde die Reaktion meines Hausarztes als sehr undemokratisch und habe ihm das am Telefon auch gesagt.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

TelefonEuroCDUArztAfD