Nach dem verheerenden Fischsterben in der Oder befürchtet Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bleibende Schäden und warnt vor einer möglichen Wiederholung in anderen Flüssen.
Mobile Sperre auf der Oder soll tote Fische einfangen
Mobile Sperre auf der Oder soll tote Fische einfangen - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Lemke sieht auch andere Flüsse gefährdet - Kritik an polnischem Ausbauvorhaben.

Ob die Oder sich wieder vollständig erholen werde, lasse sich noch nicht sagen, sagte Lemke den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Samstag. Zugleich drang die Ministerin auf einen Stopp des umstrittenen Oder-Ausbaus, der von polnischer Seite vorangetrieben wird.

Im Ökosystem der Oder «entstand weit grösserer Schaden als das Fischsterben allein», sagte die Bundesministerin. Erste Analysen liessen «befürchten, dass es gravierendere Schäden geben könnte». Die Ursachen seien nicht endgültig geklärt. «Aber ich würde schon das Fazit ziehen, dass es sich um eine menschengemachte Gewässerverschmutzung handelt ? vermutlich in Kombination mit der Hitze, die niedrige Wasserstände und hohe Wassertemperaturen verursachte.»

Nun müsse auch geprüft werden, ob es auch anderswo genehmigte Einleitungen in Gewässer gebe, die künftig wegen steigender Temperaturen gefährlicher werden könnten. «Das ist eine Möglichkeit, mit der wir rechnen müssen», sagte die Ministerin mit Blick auf den Klimawandel. Das gelte auch für Deutschland.

In zahlreiche Flüsse würden legal chemische Substanzen, Salze und Nährstoffe eingeleitet, führte Lemke weiter aus. «Dass das bei niedrigen Wasserständen und hohen Temperaturen ein grösseres Problem für ein Gewässer sein kann als bei niedriger Wassertemperatur und grösserer Verdünnung, legt der gesunde Menschenverstand nahe.» In den letzten Jahren häuften sich Dürrephasen, auch in der Zukunft seien weiterhin Niedrigwasser und Hitzeperioden zu erwarten.

In der Oder war erstmals Ende Juli in der Region um Breslau in Polen ein massives Fischsterben registriert worden. Wenige Tage später wurden auch in Deutschland erstmals tote Fische beobachtet. Inzwischen holten Einsatzkräfte bereits hunderte Tonnen toter Fische aus dem deutsch-polnischen Grenzfluss.

Nach anfänglichem Rätselraten über die Ursache haben Experten inzwischen haben eine bestimmte Algenart, die im Brackwasser lebt, im Verdacht. In Wasserproben aus der Oder wurden hohe Salzgehalte festgestellt, die das Auftreten einer für Fische giftigen Algenart begünstigt haben könnten. Der hohe Salzgehalt ist den Experten zufolge keines natürlichen Ursprungs.

Das Fischsterben und insbesondere die schleppende Informationspolitik der polnischen Behörden lösten auf deutscher Seite massive Verstimmungen aus. Am Montag trifft sich im brandenburgischen Bad Saarow der deutsch-polnischer Umweltrat, um über die Umweltkatastrophe und weitere Naturschutzfragen zu beraten. Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa sind dabei.

Lemke sprach sich zugleich vehement gegen den umstrittenen Ausbau der Oder aus. Die aktuelle Katastrophe dort zeige, dass es «ein Fehler wäre», die Massnahme umzusetzen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Der Ausbau muss jetzt gestoppt werden.» Auch andere Flüsse dürften nicht weiter vertieft oder ausgebaut werden. Die Ressource Wasser müsse geachtet werden.

Der von polnischer Seite forcierte Ausbau der Oder sieht eine Vertiefung der Fahrrinne vor, was auf deutscher Seite seit längerem heftig kritisiert wird. Am Wochenende erneuerte auch die Umweltschutzorganisation WWF ihre Forderung nach einem sofortigen Stopp der Arbeiten. «Nach dem Kollaps, den die Oder gerade erlebt hat, wäre dies das Letzte, was der Fluss jetzt noch braucht», erklärte deren Gewässerschutzreferent Tobias Schäfer am Sonntag in Berlin.

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